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Stasi darf Verfassung schützen

■ Nur keine hauptamtlichen Stasi-Leute beim Verfassungsschutz

Der Berliner Verfassungsschutz ist vermutlich nicht der einzige in der Bundesrepublik, der ehemalige Stasi-Offiziere als V-Leute beschäftigt. Eine entsprechende Nachfrage wollte gestern zwar weder das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln noch der Brandenburger Verfassungsschutz beantworten. „Wir erteilen zu operativen Fragen keine Auskunft“, hieß es lapidar. Wie die taz aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, ist es den Landesämtern aber lediglich untersagt, ehemalige Hauptamtliche der Stasi zu „Hauptamtlichen“ des Verfassungsschutzes zu machen. Die Begründung: Der Verfassungsschutz eines demokratischen Rechtsstaates müsse sich deutlich von dem mit unrechtsstaatlichen Mitteln arbeitenden ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit abgrenzen.

Anders verhalte es sich bei der Beschäftigung von sogenannten V-Leuten. In dieser Frage gebe es keinen Beschluß, jedes Landesamt dürfe eigenmächtig entscheiden. Es liege in der Natur der Dinge, daß V-Leute meist mit allen Wassern gewaschene Personen ohne Skrupel und Moral seien. Aufgrund ihrer speziellen Szenekenntnisse sei der Einsatz solcher Leute für den Verfassungsschutz aber unverzichtbar. Die Märkische Allgemeine Zeitung teilte gestern unter Berufung auf „Insider-Kreise“ mit, der Einsatz von ehemaligen Stasi-Leuten bei der Beobachtung von Nachfolgeorganisationen des KGB, „von denen gerade im Berliner Umland offenbar zahlreiche Residenturen unterhalten“ würden, sei in Brandenburg „recht wahrscheinlich“.

Wie berichtet, handelt es sich bei dem V-Mann, der die Scientology-Sekte ausspioniert und den leitenden Polizeidirektor Otto D. fälschlicherweise als Sektenmitglied eingestuft hatte, um einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter. Seine Beschäftigung war von Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) genehmigt worden. Am kommenden Donnerstag wollen SPD, Grüne und PDS von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) Auskunft erhalten, wie viele weitere ehemalige Stasi-Mitarbeiter vom Verfassungsschutz beschäftigt werden. Laut Spiegel sind es mindestens drei. Über mögliche Konsequenzen werde Schönbohm nach dem Ausschuß Auskunft geben, erklärte seine Sprecherin Isabelle Kalbitzer. Gerüchte, daß Verfassungschef Eduard Vermander und/oder sein Stellvertreter den Hut nehmen soll, wollte Kalbitzer nicht kommentieren. Der Verfassungsschutz wird vermutlich auch bei der heutigen Senatssitzung Thema sein.

„Wir werden uns nicht mit einem Bauernopfer zufriedengeben“, kündigte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, an. Alles deute auf eine Verstrickung der politischen Führung hin. Auch die SPD drängt auf Aufklärung und Benennung der Verantwortlichen. „Der Verfassungsschutz ist kein Geheimdienst, sondern eine Behörde der Innenverwaltung, in der ehemalige Stasi- Mitarbeiter nichts zu suchen haben“, stellte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller klar. Plutonia Plarre

Bericht Seite 6, Kommentar Seite 12

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