Osteuropabank zieht Bilanz der Rußlandkrise

■ Experten rechnen mit Defiziten in dreistelliger Millionenhöhe. Vorstand dementiert

London/Berlin (AFP/taz) – Für die mittel- und osteuropäischen Wachstumsmärkte hatte die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) vor wenigen Tagen noch Entwarnung gegeben. Die Finanzkrise in Rußland werde nur geringe Auswirkungen haben, erklärte Direktoriumsmitglied Heiner Luschin. Nun müssen sich die Banker Sorgen um die eigene Zukunft machen. Obwohl der Vorstand erst am Mittwoch auf der Bilanz-Pressekonferenz neben den Halbjahreszahlen auch einen aktuellen Überblick vorlegen wird, wird bereits heftig über „schwere Verluste“ spekuliert.

Die EBRD hat etwa ein Viertel ihrer gesamten Investitionen in Rußland getätigt, das damit der wichtigste Kunde ist. Rund 2,6 Milliarden Ecu waren allein im vergangenen Jahr an russische Projekte geflossen, das Gesamtengagement in den ehemaligen Warschauer Vertragsstaaten belief sich auf rund 10,3 Milliarden Ecu.

Berichte, nach denen die Bank mindestens 412 Millionen Dollar abschreiben muß, wies der Vorstand am Montag zurück.

Analysten gehen jedoch davon aus, daß die EBRD vor allem wegen ihres Engagements im russischen Bankensektor, in dem reihenweise Schließungen drohen, mit Defiziten in mehrstelliger Millionenhöhe rechnen muß. Unklar ist, ob das wiederum Auswirkungen auf die Projekte in Mitteleuropa haben wird.

Die politische Abteilung der EBRD, die 1991 gegründet worden war, um den Transformationsprozeß der ehemals sozialistischen Länder zu begleiten, war 1993 abgewickelt worden. Seither vergibt die Bank ihre Kredite unter ähnlichen Rentabilitäts- und Verzinsungskriterien wie die Geschäftsbanken. Unter dem Druck der Regierungen hatte sie den Schwerpunkt ihrer Investitionen von den stabileren Ländern in Mitteleuropa auf Rußland verlegt.