: „Eine völlig neue Dimension“
Im AKW Krümmel traf erstmals ein verstrahlter Atombehälter für schwach radioaktiven Müll ein. Schleswig-Holstein denkt über allgemeinen Transportstopp nach ■ Von Matthias Urbach
Berlin (taz) – Das AKW Krümmel kommt nicht aus den Schlagzeilen. Erst wurden dort zwei angesägte Flaschenzüge entdeckt, weshalb die Lübecker Staatsanwaltschaft inzwischen wegen Sabotage durch Kraftwerksangestellte ermittelt. Nun traf dort vorgestern auch noch ein kontaminierter Atomtransport ein. Dabei handelt es sich nach Angaben des Energieministeriums von Schleswig-Holstein um einen leeren Atomcontainer, der mit einem Lkw aus dem Endlager Morsleben ins AKW Krümmel gefahren worden war. Die gemessene Belastung an der Außenhaut war mit bis zu 57 Becquerel pro Quadratzentimeter elfmal so hoch wie der Grenzwert von 4 Bequerel. Mit dem Behälter wurde zuvor schwach- und mittelradioaktiver Müll transportiert.
Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller sprach bei diesem Vorfall von einer „völlig neuen Dimension“ des Kontaminationsproblems. Bislang waren Grenzwertüberschreitungen fast ausschließlich auf Transportbehältern für abgebrannte Brennelemente gemessen worden, die als „hochradioaktiver Müll“ gelten. Bundesumweltministerin Angela Merkel hatte im Mai nach bis zu 3.000fachen Überschreitungen des erlaubten Grenzwertes einen vorläufigen Transportstopp verhängt. Bei schwach- und mittelradioaktiven Müll war solch eine hohe Überschreitung des Grenzwertes wie jetzt in Krümmel noch nicht bekanntgeworden. Von Krümmel gehen jährlich um die 40 solcher Transporte ab. Im Juni allerdings hatte Siemens-KWU erklärt, daß es bei 21 von 4.000 Atomtransporten unerlaubte Verstrahlungen auf den Transportbehältern gemessen hatte. Im Juli kam heraus, daß auch nach Morsleben insgesamt fünf Transporte kontaminiert waren. Die Werte lagen allerdings nur zwischen 6 und 7,5 Bequerel pro Quadratzentimeter.
Der Behälter war im Endlager Morsleben nach Messungen offiziell als sauber losgeschickt worden. Völlig unklar ist, woher die Verseuchung stammen könnte. Bei dem Problem war man bislang davon ausgegangen, daß der Behälter radioaktive Teilchen auf der Fahrt quasi ausschwitzt, die sich in den Poren des Behälters während des Beladens unter Wasser eingenistet haben. Doch schwach- und mittelradioaktiver Müll wird gar nicht unter Wasser verladen. „Es gibt offensichtlich auch andere Ursachen“, sagte gestern Umweltminister Möller. Bisher sucht Merkels Ministerium die Ursachen aber genau beim Beladen unter Wasser. Falls sich der Transport nach Krümmel nicht als Einzelfall entpuppe, sagte Möller, müsse über einen Transportstopp auch für schwach- und mittelradioaktive Behälter nachgedacht werden.
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