Das Portrait
: Ein Grüner für Gregor Gysi

■ Jürgen Rochlitz

„Ich bin von Natur aus kein Mensch, der der Anpassung frönt“, macht sich Jürgen Rochlitz Mut. Selbstbewußtsein braucht der grüne Bundestagsabgeordnete, denn für seine Partei ist er ein rotes Tuch. Zu rot: Am Dienstag hatte Rochlitz den Wahlaufruf für PDS-Star Gregor Gysi unterzeichnet, bei den Grünen damit große Empörung ausgelöst. Und helle Freude beim politischen Gegner: Die Sympathieerklärung zeige, daß die Hemmschwelle zur Zusammenarbeit mit den Ex-SEDlern immer niedriger werde, wahlkämpfte eilig FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle.

„Ganz richtig“, befindet Rochlitz. Er hält eine von der PDS tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung in Bonn allemal für besser als eine Große Koalition. „Viele Grüne denken so, aber keiner wagt's zu sagen“, preschte Rochlitz gestern noch weiter vor, während er eifrig an einer Presseerklärung arbeitete, um seinen erzürnten Parteifreunden Paroli zu bieten. Bundesvorstand und Fraktion werfen Rochlitz „politische Selbstaufgabe“ und Rachsucht vor – er hatte auf der Landesliste in Baden- Württemberg keinen Listenplatz mehr erhalten.

Vor allem mit seinen umweltpolitischen Forderungen hatte sich Rochlitz in dem von Realos dominierten Landesverband unbeliebt gemacht. Dem Chemieprofessor geht unter anderem die ökologische Steuerreform nicht weit genug.

Als „Gründungsurgestein der Grünen“ habe er ein Anrecht auf Kritik, befindet Rochlitz. Gerade die Streitkultur und die programmatische Unangepaßtheit waren es, die ihn Anfang der achtziger Jahre für die Grünen begeisterten – und die er jetzt an Gysi schätzt. Rochlitz baute die Kreisverbände in der Pfalz mit auf, engagierte sich erst als Gemeinderat, dann von 1988 bis 1992 im Landtag für die umweltpolitischen Ziele der Grünen. Jetzt sei er offenbar zu links in einer Partei, die sich immer mehr nach rechts bewege, sagt der 61jährige.

Ist er Sozialist? „Vielleicht.“ Einen Parteiwechsel schließt er „im Moment“ aus – es komme darauf an, welche Zugeständnisse die Grünen in möglichen Koalitionsverhandlungen machen. Seine Zweitstimme will Rochlitz den Parteifreunden am 27. September zwar geben. Aber bei der Erststimme ist er sich noch nicht so sicher. Den grünen Direktkandidaten in seinem Wohnort Frankenberg/ Eder kennt er nicht einmal. Kerstin Willers