piwik no script img

■ Mit der Rußlandkrise auf du und duSorgen, aber keine Panik

Dresden (taz) – Das neue Bundeskanzleramt ist von der Krise in Rußland nicht betroffen. Die Baufirma HMB muß nicht um ihre Existenz bangen. Das ist derzeit nicht selbstverständlich, „weil wir gut 25 Prozent unseres Umsatzes in Rußland erwirtschaften“, so Norbert Schneider von HMB. Dieser Markt sei jetzt praktisch weggebrochen. „Wir müssen schleunigst Ersatz in anderen Ländern finden.“ Entlassungen stehen bei den 450 Beschäftigten jedoch nicht an.

Die russische Krise sei zwar spürbar, aber nicht existenzgefährdend, sagt auch Carsten Behrend, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg. Anhaltinische Firmen liefern etwa 8 Prozent ihres Gesamtumsatzes nach Rußland. Viele Geschäften liegen allerdings bei wenigen 10.000 Mark. Und: „In der Regel wurde Vorkasse gefordert“, so Behrend. Wer sich nicht so abgesichert hat, wird allerdings auf den Rechnungen sitzenbleiben. Kleine Geschäfte sind nicht über Hermes-Bürgschaften abgesichert.

Betroffen ist vor allem der ostdeutsche Mittelstand. „Wegen der traditionellen Beziehungen sind diese Firmen näher an Rußland dran“, sagt Hans Georg Crone-Erdmann von der IHK-Vereinigung Nordrhein- Westfalen. Die schlimmsten Folgen gebe es beim Handel mit Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik.

Allein in Thüringen sind 120 mittelständische Firmen ins Rußlandgeschäft involviert, die von Zahlungsausfälle und Auftragseinbußen betroffen sind. Teilweise ist der Export zum Erliegen gekommen. „Die größeren Unternehmen haben ihren Umsatzanteil mit Rußland in den letzten Jahren gering gehalten“, sagt Anja Reutter, Außenwirtschaftsgeschäftsführerin der IHK Halle. So gehe das Engagement der Chemieunternehmen selten über ein halbes Umsatzprozent hinaus.

Ein drastisches Bild zeigt sich in Sachsen. „Für uns ist Rußland seit Jahren wichtigster Exportpartner“, sagt Uwe Neumann von der sächsischen IHK. Von 85 Rußland-Exporteuren seien die Hälfte schon jetzt direkt betroffen – darunter auch Großunternehmen. 17 Prozent halten die Folgen für „nicht absehbar“.

Einige Branchen wie die russische Erdöl- oder Erdgaswirtschaft haben Auslandsguthaben, von denen weiterhin gezahlt wird. Trotzdem rechnet etwa jeder zehnte deutsche Exporteur mit Entlassungen und Kurzarbeit, in Einzelfällen mit Gesamtvollstreckung. Die IHK bietet eine Telefonberatung an – schon am ersten Tag klingelte das Telefon ununterbrochen. Nick Reimer

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen