Nervöses Zucken wegen Clinton

Verunsicherung wegen der Lewinsky-Affäre läßt Börsenkurse rund um den Globus abstürzen. Nikkei-Index und Dollar fallen unter „psychologische Grenzen“  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Anleger sind nervöse Wesen. So nervös, daß die Unsicherheit über das politische Schicksal des US-Präsidenten viele Aktienhändler gestern und vorgestern teilweise in Panik verkaufen ließ. Noch bevor der Starr-Report über die Details der Affäre zwischen Monica und Bill und die Gründe für eine Amtsenthebung vermutlich per Internet um die Welt geht, ging am Donnerstag und Freitag der Kursverfall einmal um den Globus, um ein paar „psychologisch wichtige Marken“ zu knacken, zuletzt den japanischen Nikkei-Index. Der rasselte genau unter die 14.000-Marke – im steilsten Fall des Jahres um 5,4 Prozent. Zuvor hatte der US-amerikanische Dow Jones um 3,2 Prozent nachgegeben, und auch der Deutsche Aktienindex Dax wurde bereits am Donnerstag gegen Handelsschluß von den Eröffnungsverlusten der US-Börse mitgerissen: insgesamt minus 4,3 Prozent.

Auch die Anleger in Rußland blieben nervös. Der Aktienmarkt erholte sich nicht. Im Gegenteil, die Kurse rutschten ab, obwohl mit dem Außenminister Jewgeni Primakow endlich ein aussichtsreicher Kandidat für das Amt des russischen Regierungschefs von Präsident Boris Jelzin nominiert wurde.

Am schlimmsten traf es aber die lateinamerikanischen Börsen. Wohl auch, weil es hier im Hintergrund ein paar handfestere Probleme gibt: Hier geht die Furcht vor einer großen Abwertungsspirale der regionalen Währungen um, seitdem die brasilianische Notenbank ihre Leitzinsen drastisch erhöhen mußte.

Offenbar tauschen derzeit Anleger massiv ihr brasilianisches Geld, den Real, gegen US-Geld ein – nach Schätzungen bereits rund zehn Milliarden Dollar seit Monatsanfang. Da nützt es nichts, daß der IWF den südamerikanischen Staatsfinanzen gute Noten erteilt. Vor allem, wenn gleichzeitig in New York ein halsstarriger Laienprediger und Sonderermittler 36 weiße Pappkartons mit Belastungsmaterial gegen seinen Präsidenten in den Kongreß schaffen läßt – und auch noch die amerikanische Leitbörse in New York schlappmacht.

Der brasilianische Aktienindex purzelte um fast 16 Prozent, so schnell wie seit elf Jahren nicht mehr. Argentinien geriet mit minus 13,3 Prozent in den Sog des großen Nachbarn – auch die anderen lateinamerikanischen Börsen gaben stark nach.

Und auch der Dax entwickelte sich gestern alles andere als ruhig, verlor am Vormittag weitere drei Prozent, um gegen Nachmittag wieder auf dem Stand des Vortages zu verharren. Vor allem die Anteile an exportabhängigen Unternehmen gerieten in den vergangenen zwei Tagen unter Druck, weil mit der drohenden Amtsenthebung nicht nur die US-Aktien, sondern auch der Dollar schwächelte, und fiel unter die „psychologische Grenze“ von 1,70 Mark, auf gut 1,68 Mark. Auf diesem Niveau begann er auch gestern wieder im New Yorker Handel.

Dabei gibt es eigentlich nicht viele Gründe zu glauben, daß eine Amtsenthebung von Bill Clinton wirklich schlecht für die Weltwirtschaft wäre. Zum Vergleich: Auch bei Präsident Nixons Rücktritt gab es nur ein kurzes Kurstal, und der hatte nach dem Watergate-Skandal wirklich Grund zum Rücktritt. Anleger sind eben nervöse Wesen.