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„Nur für eine gute Freundin“

■ Die neuen Semestertickets für Bus und Bahn sind ab diesem Winterhalbjahr fälschungssicher, sagt die BSAG. Dafür griffen die Transporter extra tief in die Tasche

„Hach, da erinnern Sie mich an was!“ erinnerte sich der freundliche BSAGler nur zu genau an die unglückselige Geschichte im Juli dieses Jahres, als der nicht minder unglückselige Student Kay M. mit seinem bunten Semesterticket in die Fänge eines Bahn-Schaffners geriet (taz 30.7.). Böse Geschichte und ganz schlecht fürs Image: Kay M. mit seiner über alle Zweifel erhabenen Semesterkarte der Bremer Universität war im Niemandsland zwischen Oldenburg und Bremen vom Bundesgrenzschutz (BGS) abgeführt und völlig zu Unrecht angepampt worden. Damit das nicht wieder vorkommt, wird Herr Steinmeyer, der freundliche Bremer Straßenbahn - Fachbereichsleiter 'Vertrieb', seinen KollegInnen von der Bahn diesmal ein aktuelles Kennenlern-Ticket zuschicken. Und außerdem wird Heinz-Dieter Steinmeyer seinem Deutsche-Bahn -Kollegen versichern: Kein unnötiges Mißtrauen, bitte, denn die neue, schwarz-rote „Kundenkarte für StudentInnen“ ab 1. Oktober sei jetzt endlich fälschungssicher.

Dafür hat die BSAG sogar ein paar Extra-Mark draufgelegt. Denn eigentlich sind es die Hochschulen, die Druck und Papier für die Tickets zahlen. „Aber Zusatzkosten für mehr Fälschungssicherheit müssen selbstverständlich wir bezahlen“, bekennt der BSAG-Vertriebsleiter. Wofür diese Mehrkosten, das aber will er nicht so gern verraten. Sein einziger Hinweis: „Da sind sehr viele Sachen reingekommen. Beim Kopieren werden Sie es schon merken.“

Doch im kreuzehrlichen Bremer Kopiergewerbe findet sich nicht so schnell eine Nische, in der man sich in aller Ruhe ans Fälschen machen könnte. Sowohl in der Friesenstraße als auch im Kopier Center am Sielwall-Eck wird schon bei dem Wunsch nach einem unbehelligten halben Stündchen am Farbkopierer nur schnurr- und griesgrämig abgegrinst. Fälschen läuft hier nicht – Vorder- und Rückseite auf zwei getrennte Blätter, das ist der weitestgehende Kompromiß. Da hilft nicht einmal ein glühender Appell an die Fälscherprofession, die jedem Kopierer im Blut stecken müßte. Und dabei weiß der Mann hinter dem Tresen: Eine Stunde am Scanner und PC – dann hätte auch dieses Semesterticket trotz seines gemeinerweise gerasterten Fonds einen identischen Zwilling.

Wenn nur das Bremer Kopiergewerbe nicht so grundanständig wäre. „Höchstens mal für eine gute Freundin ...“, läßt sich eine ehemalige(!) Copyshop-Mitarbeiterin zu einem halben Geständnis hinreißen. War doch die Botschaft von zirkulierenden Ticket-Blüten im vergangenen Semester eben aus diesen Kopierläden gekommen. Möglicherweise reine Hochstapelei – denn bekannt wurde nach übereinstimmenden Informationen von BSAG und Bremer Staatsanwaltschaft zumindest in diesem Jahr noch nicht ein einziger Fälscher in Bremens öffentlichen Verkehrsmitteln.

Dabei ertönt es bei Nachfrage selbst aus dem ASTA-Telefon der Bremer Uni fröhlich: „'n schönen guten Tag, hier spricht der Verein für gemeinnützig gefälschte Semestertickets!“ – ein anarchisches Lachen aus dem Hintergrund aber straft auch hier die kriminelle Energie in der Stimme Lügen. Pragmatisch hingegen die Auskunft aus der fernen Uni Oldenburg. Als Alternative zur Fälscherwerkstatt gäbe es ja noch die Möglichkeit eines Doppelstudiums. Automatisch kämen dann auch zwei Semestertickets ins Haus geflattert: für den arbeitslosen Nachbarn eins mit. ritz

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