: Bill und Monica
■ taz- und Welt-Nachrichten
Ich zitiere Elias, (1976 Bd. 1,222ff): „Im Mittelalter war Sexualität noch nicht auf die Enklave der legitimen Ehe zurückgedrängt. Es war üblich, daß viele Menschen in einem Raum übernachteten, darunter Herr und Knechte, Männer und Frauen. Auch Gäste blieben oft über Nacht. Man schlief üblicherweise nackt. Wer ein Taghemd anbehielt, machte sich verdächtig, körperlich entstellt zu sein. Erst im 16. Jahrhundert kam spezielle Nachtkleidung auf ... [was ist mit dem ius prima noche? fragt sich die ätzerin vom dienst]
An Hochzeitstagen war es vielfach üblich, das Brautpaar vor Zeugen ins Bett zu legen und den Vollzug der Ehe zu beobachten. Bis ins 16. Jahrhundert wurden selbst in den ehrbarsten Familien eheliche und uneheliche Kinder zusammen aufgezogen ...
Zumindest der Mann brauchte sich seiner außerehelichen Beziehungen nicht zu schämen (ebd. Bd. 1,243 ff.)
So war das damals. Ach Bill, war das eine schöne Zeit, in der der Papst seine eigenen Kinder zu seinen Nachfolgern bestimmte.
Aber die eifrigen, bibelfesten Sonderermittler – mit ihrer panischen Angst vor der Sexualität – der religiösen Welt schlaffen nicht. 1487 erscheint das Werk: „Malleus maleficarum“ von Jakob Sprenger und Heinrich Institoris. Der deutsche Titel heißt: Hexenhammer.
Die Übereinstimmungen zwischen dem Sonderermittler Kenneth Starr und den Autoren des Hexenhammers sind verblüffend:
— Bibelfest sind alle drei. — Sprenger und Institoris gehörten zu dem Predigerorden der Dominikaner. [Hunde des Herren, die ä.v.d.]Kenneth Starr ist nebenberuflich christlicher Prediger.
— Mit den Möglichkeiten der normalen Gerichtsbarkeit geben sie sich nicht ab. Alle drei sind Sonderermittler.
— Geschädigt ist niemand, dennoch muß Schuld konstruiert werden.
— Die Sonderermittlung damals wie heute zielt auf das Geständnis des Beschuldigten ab.
— Sexualität und vor allen Dingen ihre Details, sind wichtig. Die Sonderermittler kriegen alles raus und deshalb sind wir alle — die große Öffentlichkeit — so gut informiert: Der Penis des Teufels ist kalt und eisenhart [...]. Seine abartigen Neigungen werden uns dargestellt: [...] „Dabei wird dann auch allerlei greuliche Unzucht getrieben, zwischen den Brüsten, unter den Achseln, hinter und fürwärts.“ Die Sonderermittler kriegen auch Fälle aufgedeckt, in denen Mundverkehr eine Rolle spielte.
Und vor allem die Verweigerung der Zeugung ist das Verbrechen schlechthin. Der Coitus interruptus auf Monicas Kleid — so etwas konnten schon Sprenger und Institoris nicht leiden. — Nur das mit der Zigarre – da hat Kenneth Starr einen modernen Wissensvorsprung. Sprenger und Institoris kannten noch keine Zigarren.
Man schätzt die Opfer der Sonderermittlungen (Inquisitionsgerichte, Hexenprozesse) zwischen zwei und zwölf Millionen Menschen innerhalb von ca. 400–500 Jahren in Europa.
Es ist völlig klar, daß Bill gelogen hat. Hätte ich auch. Was geht andere Leute mein Intimleben an, in dem meine Partnerin und ich es als erwachsene Menschen miteinander treiben? Nicht Bills Lügen sind schlimm, sondern die Fragen des Sonderermittlers. [...] Ist es etwa moralischer, dort den Tod von vielen unbeteiligten Menschen im Sudan, im Kosovo, in Afghanistan, im Irak und anderswo zu beschließen, als zu vögeln? Ist es etwa moralischer, dort die blutbesudelten Hände von brutalen Staatsmännern zu schütteln, als Monica zu ficken?
Wer ist geschädigt? — Monica? Die hat längst ihre Optionen auf die Bestsellertantiemen für „ihre wahre Geschichte mit dem Präsidenten“ in der Tasche. Im übrigen hatte sie wohl auch viel Spaß dabei. — Hillary? — Ohne Bill wäre sie niemals Präsidentengattin. Das weiß sie sehr genau, und als Juristin hat sie Möglichkeiten, sich zu wehren. — Das amerikanische Volk? — Das schätzt seine gute Arbeit als Präsident.
Niemand ist geschädigt. Es gibt kein Verbrechen. Es gibt keinen Schaden außer jenem, der uns von diesen dubiosen Sonderermittlern und ihren interessenpolitisch geleiteten Hintermännern suggeriert wird.
Amerika, wir folgen Dir – und wenn es zurück ins Mittelalter ist! [...]
Uwe Peters, Schiffdorf
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