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Suche nach einem Ausweg aus der Krise in Kambodscha

■ In der Hauptstadt Phnom Penh ist es nach Tagen der Proteste relativ ruhig. Nur einige Schüsse fallen. Doch hinter den Kulissen wird um Posten in einer künftigen Regierung geschachert

Bangkok (taz) – Nach den Protesten der vergangenen Tage versammelten sich gestern in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh nur hier und da kleine Gruppen von Demonstranten. Polizisten schossen über ihre Köpfe, um sie zu vertreiben.

In der kleinen Residenz von König Norodom Sihanouk in der nordwestlichen Stadt Siem Reap wollen Premierminister Hun Sen und die Vorsitzenden der beiden Oppositionsparteien heute zusammenkommen, um einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden.

Am Wochenende hatte der 73jährige Monarch seinen Sohn, Prinz Norodom Ranariddh, und den ehemaligen Finanzminister Sam Rainsy in einer deprimiert klingenden Erklärung aufgefordert, das Ergebnis der Wahlen von Ende Juli anzuerkennen, sich mit dem Premierminister zu arrangieren und eine Koalition zu bilden. Bislang lehnten beide dies ab, weil sie der Regierung Wahlbetrug vorwerfen.

Sihanouk erklärte: „In einem Kambodscha, das kein Rechtsstaat und keine ausgereifte Demokratie ist, habe ich keine andere Wahl, als jenen, die schwach sind, zu raten: Entscheidet euch für eine Politik, die Unglück vom Volk, vom Vaterland und von euch selbst fernhält.“

Bei den heftigen Auseinandersetzungen in den letzten Wochen waren mehrere Menschen gestorben, Dutzende wurden verletzt. Soldaten sollen gestern sogar in Tempel eingedrungen sein, wo sie Mönche mit gezückter Waffe warnten, nicht mehr zu demonstrieren. Am Montag waren über zwanzig Demonstranten festgenommen worden.

Premier Hun Sen, der sich strikt weigert, die Vorwürfe der Wahlfälschung überprüfen zu lassen, hat nach den umstrittenen Berechnungen eine knappe Mehrheit von 64 der 122 Sitze im Parlament. Er braucht aber laut Verfassung eine Zweidrittelmehrheit, um zu regieren.

Alles deutet auf einen Sieg Hun Sens hin. Prinz Ranariddh hat bereits wissen lassen, er werde wieder mit seinem alten Feind zusammengehen. Es sei möglich, sagte er am Wochenende, daß er sich an einer neuen Regierung beteilige, obwohl er das Wahlergebnis nicht akzeptiere.

Damit hätte Hun Sen – ein Meister der Kunst des „Teile und herrsche“ – die Opposition erfolgreich gespalten. Ex-Finanzminister Sam Rainsy, dessen Partei bei den Wahlen den dritten Platz erzielte, darf an den Verhandlungen zwar teilnehmen, scheint aber ausmanövriert worden zu sein. Ihm droht die Verhaftung, weil Hun Sen ihn für einen Granatanschlag Ende vergangener Woche auf seine Residenz in Phnom Penh verantwortlich macht. Die regierungsnahe Presse bezeichnet Rainsy als „Verräter“.

Die Kambodschaner erwartet nun eine Neuauflage der unglücklichen Koalition von 1993, die mit dem blutigen Putsch im vergangenen Jahr endete. Damals hatte Hun Sen den Prinzen aus dem Land getrieben. Diesmal wäre Norodom Ranariddh von vornherein machtloser Partner: Der Premier will insgesamt fünf Schlüsselressorts für sich.

Vertreter seiner Funcinpec-Partei verhandeln hinter den Kulissen seit längerem um lukrative Ministerposten, zum Beispiel in der Behörde für Tourismus. Für Prinz Ranariddh selbst, der als wenig fleißig gilt, wird noch ein Amt gesucht. Im Gespräch ist der Vorsitz der Nationalversammlung. Am 24. September sollen die kambodschanischen Abgeordneten zusammentreten und eine neue Regierung bilden. Jutta Lietsch

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