: Grüner Blindenhund? –betr.: „Kein Atomausstieg mit Rot-Grün“, taz-Hamburg vom 11.9.1998
Sind jetzt auch die Bündnisgrünen den Jüngern des Nuklearstalinisten Helmut Schmidt auf den Leim gegangen? Daß Sozialdemokraten mit gutdotierten Pseudojobs bei Nuklearunternehmen wieder das Märchen von der preiswerten und unverzichtbaren Atomenergie aufwärmen, gründet auch auf einen ehemaligen Wehrmachtsoffizier, den sie seinerzeit zum Kanzler krönten. Mit dessen volkswirtschaftlichem Sachverstand scheint es jedoch nicht weit her zu sein: Die vom (beim jüngsten SPD-Parteitag wieder rehabilitierten) Ex-Kanzler seinerzeit mit Steuersubventionen geförderte hochriskante Nuklearenergie kommt uns bereits heute so extrem teuer, daß selbst Solar-energie und sogar die deutsche Kohle mit ihr locker konkurrieren könnten. Fakt ist: Der Ladenhüter Atomkraft wird ohne ausreichenden Versicherungsschutz lediglich noch durch knüppelharte staatliche Protektion mit Geldern der Allgemeinheit künstlich am Leben gehalten. Dies bevorzugt eine Handvoll Großunternehmen zu Lasten aller Steuerzahler und der mittelständischen Wirtschaft.
Eine Studie der renommierten Baseler PROGNOS AG für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) stellt fest, daß die Kilowattstunde Atomstrom bei Berücksichtigung aller Folgekosten real zwischen 3,60 und 4,- DM kostet. Dieser Umstand wurde uns von Autoren ausdrücklich bestätigt. Damit ist die Kilowattstunde Atomstrom bereits heute um 2000 Prozent teurer als Windenergie und die Mehrzahl aller deutschen Atombetriebe hoffnungslos unterversichert. Diese für die Atomwirtschaft vernichtende Studie, verschimmelt von den Bündnisgrünen offenbar unbeachtet im Safe von Bundeswirtschaftsminister Rex-rodt (FDP). Die bisherigen Haftungssummen für atomare Anlagen liegen noch weit unter den erforderlichen Versicherungsprämien. Nur für die jährlichen Risikoversicherungen wären mehr als 500 Milliarden Mark auf die Stromrechnung draufzuzahlen.
Damit erledigt sich das Thema Atomstrom eigentlich von selbst, wenn mutige Politiker endlich die Courage hätten, die unbegrenzte Haftung ins Gesetz zu schreiben. Zwischen Gefährdungspotential und Versicherungsschutz bestehen also himmelschreiende Mißverhältnisse. So kommt es, daß an nuklearen Standorten die Autos draußen auf dem Parkplatz besser versichert sind als die gesamte atomare Anlage!
(...) Das gleiche miese Spiel praktiziert die FDP jetzt mit der Windenergie. Die „Partei des institutionalisierten Egoismus“ setzt alles daran, zugunsten der durch laxe Sicherheitsstandards begünstigten Gewinne von Atomkraftwerksbetreibern die umweltfreundliche Windkraft zu erdrosseln. Wann endlich finden sich in Bonn beherzte Abgeordnete, die für AKWs die unbegrenzte Haftung durchsetzen und somit die nukleare Geisterfahrt stoppen? Detlef Chrzonsz,
Bundesvorsitzender der
Christlichen Demokraten gegen
Atomkraft (CDAK)
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