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Garantiert mit Lesebändchen

■ Die „Lettre“-Idee auf literarischer Basis: Das neue Literaturprogramm im DuMont Verlag setzt auf Europa und die Haptik. Bücher zum Anfassen, zum Auswickeln und zum Einwickeln

Vor zwei Monaten kaufte die Bertelsmann AG den bis dahin unabhängigen Berlin Verlag. Es gab ein großes Geschrei, und man hätte meinen können, der deutsche Literaturbetrieb trudele ab sofort unaufhaltsam seinem Untergang entgegen. Das war der Sommer.

Jetzt kommt der Herbst, und der Untergang läßt doch noch auf sich warten. Zumindest flattert in diesem Jahr ein neuer Verlagsprospekt durch die Redaktionsstuben und Buchhandlungshinterzimmer: DuMont Literatur, der Kölner Kunst- und Reiseverlag, hat sein Programm ausgebaut. Seit einigen Tagen wird ausgeliefert. Im bunten Katalog kann man schon blättern. Und DuMont ist mit seinen Autoren auch on Tour: vorgestern in München, heute in Berlin, nächste Woche in Hamburg.

Vorab war ein ziemliches Gewese um die neue DuMont-Abteilung gemacht worden, mit viel Geheimnistuerei und allerlei Gerüchten. Überraschung gelungen: 21 Titel sind ein ziemlich klotziger Anfang für die Quasineugründung eines Verlags. Und im Erstlingsstapel stecken sogar zwei Gedichtbände – von Ulrich Johannes Beil und der jungen Engländerin Lavinia Greenlaw – und zwei Dramen: beides bekanntermaßen potentiell unverkäufliche Gattungen. Auch der Rest des Programms zeugt von Mut, und es pustet ein frischer Wind: viele Debütanten, darunter der Klagenfurt-Preisträger John von Düffel („Vom Wasser“) und der Schweizer Jan Lurving („Windladen“). Dazu Romane aus Griechenland, aus Italien, aus Lettland...

Cheflektor Christian Döring, der bis Mitte letzten Jahres noch die neue deutschsprachige Literatur beim Suhrkamp Verlag betreute, hatte bei der Programmgestaltung die Idee vom „europäischen Roman“ im Hinterkopf: „Wir wollten sozusagen die Lettre- Idee auf einen Buchverlag abbilden...“ DuMont Literatur beschränkt sich dann allerdings doch nicht auf Europa. Zum Beispiel ist der lässige Japaner Haruki Murakami („Mister Aufziehvogel“) im Programm, und im Frühjahr erscheint hier Wladimir Sorokin.

Der „europäische Roman“ – bei DuMont ist das vor allem der „nicht amerikanische Roman“: „Viele Bücher sind heutzutage bereits so geschrieben, daß man aus ihnen ein Drehbuch machen kann“, findet Döring, „viele Bücher, die hier geschrieben werden, imitieren amerikanische Unterhaltungsmuster. So züchtet man eine globalisierte Literatur.“ Das soll es also nicht sein. Statt dessen, was sonst, Qualität. Weil es davon eh nicht genug geben kann, aber auch, um den DuMont Verlag insgesamt aufzuwerten – obwohl der mit einer geschätzten Bilanz von 70 Millionen Mark Umsatz im letzten Jahr schon ganz gut im Rennen liegt. Bekannt ist der Verlag für seine Reiseführer-Klassiker, teure Kunstbände und blumige Gartenbücher. Aber: „Das eigentliche Verlegen verbinden wir doch mit Literatur“, findet Christian Döring.

Na klar. Dörings Chef sieht das wohl auch so. Seit eineinhalb Jahren leitet Gottfried Honnefelder den DuMont Verlag, nachdem er zunächst noch als Unseld-Nachfolger bei Suhrkamp gehandelt worden war. Jetzt modernisiert er kräftig in Köln statt in Frankfurt, macht DuMonts Kunstprogramm startklar fürs sogenannte „Niedrigpreissegment“ – und mit dem prestigeträchtigen Literaturprogramm fit fürs Hochfeuilleton und fürs nächste Jahrtausend. Denn Bücher kann man angucken und vor allem anfassen: „Haptik“ heißt das mit einem Fremdwort in diesen Tagen, in denen einem dauernd irgendein Internet weismachen will, daß Lesen auch virtuell funktioniert. Bei DuMont macht das Fremdwort sogar Spaß: Das Graphikerteam Groothuis und Malsy hat die Bücher vom Einband über das Lesebändchen bis hin zum Schlußpunkt durchgestylt. Die Lyrikbände beispielsweise sind faserig in Stoff gebunden und dem zarten Inhalt gemäß in robuste Pappschuber gesteckt; überall schmeichelt weiches, dickes Papier dem Lesefinger. In Christian Dörings Zukunftspoesie klingt das so: „Das Buch soll ein Fluchtpunkt in der Mediengesellschaft werden, Ort der Ruhe, Ort der Phantasie.“

Das Beste ist auf jeden Fall, daß man die Bücher aus- und wieder einwickeln kann. Die DuMont Literatur ist nämlich in fast DIN-A2 große Schutzumschläge verpackt, die innen bedruckt sind: Mit John von Düffels Kopf, der krokodilsmäßig aus dem Wasser herauslugt, zum Beispiel. Oder einem wilden Verkehrsschilderdurcheinander im Umschlag von Jegor Grans tolldreistem Roman über einen Ordnungsfetischisten („Ipso Facto“). Auf der Außenseite der Umschläge gibt es fast nie Fotos, sondern klare Linien auf Pastellfarben, Piktogramme oder – bei Düffel, natürlich – Fische. So ein Komplettdesign kostet, doch DuMont ist sein Vorzeigeprogramm etwas wert. Außerdem wird an anderer Stelle gespart. „Wir verzichten darauf, auf dem teuren Lizenzmarkt einzukaufen“, erklärt Döring.

DuMont Literatur will es noch einmal mit dem Konzept Autorenverlag versuchen: junge Schriftsteller von ihrem ersten Buch an begleiten, einen Austausch zwischen Autoren und Verlag fördern. Das klingt viel zu schön, um wahr zu sein: wie Suhrkamp, aber ohne Muff. Und eigentlich ist alles an DuMont Literatur viel zu schön, um wahr zu sein. Man blättert in einem bunten Verlagskatalog, faltet ein paar Umschläge auf und wieder zu und beginnt, auf diese Art milde gestimmt, zu lesen. Denn lesen muß man trotz aller Haptik und Zauberei immer noch selbst. 21 Bücher? Das dauert. Selbst wenn man sich „Goethe für Anfänger“ oder das Köln-Lesebuch spart. Was die nämlich in diesem Programm zu suchen haben, ist völlig unklar. Kolja Mensing

DuMont Literatur ist heute abend um 20 Uhr in der Berliner LiteraturWerkstatt zu Gast. Es lesen John von Düffel, Jegor Gran, Oscar Heym, Gundega Repše.

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