: Kleinliche Rivalität um Menschenrechtspreis
■ Internationale Liga für Menschenrechte zeichnete die Führerin der französischen „Papierlosen“ aus. Amnesty-Generalsekretär intervenierte gegen die Entscheidung, bedauert aber jetzt
Berlin (taz) – Sie war eine kleine Heldin der Menschenrechte geworden, Madjiguene Cissé. Sie kämpfte und sprach für die „Sans Papiers“, die Paßlosen Frankreichs, daß ihre Gruppe staatlich anerkannt wird, daß sie Ausweise und Rechte erhält.
Die Internationale Liga für Menschenrechte erkennt die aus dem Senegal stammende Cissé auf ihre Weise an: Sie verleiht ihr am 5. Dezember die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Wie ein der taz vorliegender Brief beweist, haben ausgerechnet die Menschenrechtler der deutschen Sektion von amnesty international (ai) versucht, die Preisvergabe zu verhindern. In einem internen Brief von Amnesty- Generalsekretär Volkmar Deile an die Liga heißt es: „Deshalb halte ich von der (...) möglichen Ehrung der ,Sans Papier‘ aus Frankreich sehr wenig.“ Der Grund: Die Unterstützung der Sans Papiers sei wichtig – aber sie „paßt nicht in das Konzept des Kongresses“, mit dem ai in Frankfurt des 50. Jahrestages der Erklärung der Menschenrechte gedenken will. Als Konsequenz hat amnesty die Kollegen von der Liga de facto vom Kongreß ausgeladen. Die Liga hat schnell reagiert. Sie ehrt die für 70.000 Sans Papiers sprechende Madjiguene Cissé lieber in Berlin als beim Meeting von ai in der Frankfurter Paulskirche.
Die Liga-Präsidentin Fanny-Michaela Reisin war sauer über die feinen Unterschiede, welche die für die Unteilbarkeit der Menschenrechte kämpfenden Kollegen von ai plötzlich machen. Sie stauchte Deile zusammen, wie genervt sie von amnestys „Alleinvertretungsanspruch in Sachen Menschenrechte“ ist. Aufgebracht hat die Liga die beschwörende Formel Deiles, „alles zu unternehmen, damit die Ehrung der Liga für Menschenrechte in das Konzept des Kongresses paßt“. Das kann man auch als eine wenig elegante Ablehnung der Preisübergabe an Cissé überhaupt lesen. Volkmar Deile „tut die ganze Angelegenheit unendlich leid“. Die Papierlosen kämpften ohne Frage für Menschenrechte. Sie seien auszeichnungswürdig, nur eben auf den Kongreß von ai zum goldenen Jahrestag der Menschenrechtserklärung passe das konzeptionell nicht. Deile erklärte vorbeugend, „es gibt nicht so etwas wie Menschenrechte erster und zweiter Klasse“. mai/cif
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