Amoklauf mit Filzstift

■ Ein Wähler ertrug die CDU-Werbung nicht mehr und wurde erkennungsdienstlich behandelt

Donnerstag nacht war es soweit. Klaus Fabisch konnte nicht mehr. Seit zwei Wochen schon trug er sich mit dem Gedanken, etwas zu unternehmen gegen die „unerträgliche“ CDU-Wahlwerbung. Als er sich auf seinem Weg zwischen Halensee und Wittenbergplatz mit Dutzenden von Kohl-Plakaten konfrontiert sah, kochte seine innere Empörung über. „Das sind Zumutungen, die ich nicht mehr ertragen kann“, sagte der 52jährige, der Grün wählt („Was denn sonst?!“) gestern gegenüber der taz. „Da bin ich Amok gelaufen und zog meinen kleinen Filzstift.“ Er verzierte eine Reihe von Plakaten mit Sprüchen wie „tralalalala“, „Intrigant“ oder „Kinder und Frauen aufgepaßt“. Auch der CDU-Direktkandidat Ekkehard Wruck, der mit „Frieden wählen“ Wahlkampf in Wilmersdorf/Charlottenburg macht, bekam sein Filzstift-Fett weg. „Das ist so demagogisch“, verteidigt Fabisch sein Tun. Besonders stolz ist er auf seinen Kommentar „Heil Dir Cäsar und Pinscher“, den er in Anlehnung an Bundeskanzler Erhard schrieb, der in den 60ern gegen die schreibenden „Pinscher“ hetzte.

In der Knesebeckstraße wurde seinem Treiben gegen 2.30 Uhr ein Ende gesetzt. Zwei Polizisten, die ihren nächtlichen Hunger mit Pommes-frites stillten, stellten den Kunsthändler, der von Sozialhilfe lebt, beschlagnahmten den Filzstift und nahmen Fabisch zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit. „Dabei muß man ganz nah rangehen, um das lesen zu können“, so Fabisch, der stolz auf seine Tat ist („Aber ich wollte nicht erwischt werden“). Doch jetzt, wo das Kind in den Brunnen gefallen ist, sinnt er über das weitere Vorgehen nach. Denn: „Ich habe ein Recht auf Sachbeschädigung, ohne erkennungsdienstlich behandelt zu werden“, sagt er. Fabisch, gegen den nun eine Anzeige wegen Sachbeschädigung läuft, suchte gestern Rat bei dem grünen Direktkandidaten und Anwalt Christian Ströbele: „Der hat mir gesagt, ich solle abwarten und Tee trinken.“ Barbara Bollwahn