■ Aus dem Teutoburger Wald an den Rennfahrer Michael Schumacher
: Lieber Herr Schumi!

Wenn Nachrichtensprecher sich in Kichererbsen verwandeln und mit launigen Bemerkungen zum Sportnachrichtenteil überleiten, schalte ich sofort aus. Dennoch weiß ich, daß man Sie „Schumi“ nennt, daß Sie an Autorennen teilnehmen, daß Sie dabei des öfteren siegen und daß Sie sich und Ihre unterlegenen Kollegen zur Feier solcher Siege mit Champagner vollspritzen.

Auch gut geschulte Medienkonsumenten, die ihre Fernbedienung mit mozartischer Virtuosität handhaben, kommen einfach nicht darum herum, Ihnen beim Champagnerspritzen zuzusehen.

Man schaltet das Fernsehgerät ein, man sieht Alfred Biolek in einer Bratpfanne rühren, man schaltet um und sieht Verona Feldbusch die Schenkel übereinanderschlagen, man schaltet wieder um und gerät in die Werbung für Hitler-Videos und Ferkeltelefonnummern, man schaltet abermals um, und spätestens jetzt wird man unfreiwillig zum Zeugen Ihres Champagnergespritzes.

Hektisch grabbelt man nach der Fernbedienung, doch bevor man sie gefunden und ein anderes Programm eingeschaltet hat, ist man schon darüber informiert worden, daß Sie wieder ein Autowettrennen gewonnen haben, und man hat gesehen, wie Sie sich und die Sie umstelzenden Treppchenmänner mit Champagnerstrahlen überschüttet haben.

Aus der Zeitung, sehr geehrter Herr Schumi, weiß ich, daß Sie bei solchen Autowettfahrten Geldgewinne in zweistelliger Millionenhöhe einzustreichen pflegen. Das sei Ihnen auch gegönnt.

Ich bin nur eine alte Frau und habe eigentlich kein Recht dazu, jungen Menschen wie Ihnen einen Vorwurf zu machen. Ich bin jetzt 78 Jahre alt und habe Diabetes. Ich lebe in einem Altenstift im Teutoburger Wald, und von meiner Rente, die monatlich 875,40 Mark beträgt, kann ich sehr gut leben. Beim Schriftverkehr mit den Behörden hilft mir meine Nichte Gabriele. Sie lebt im Sauerland und hat keine eigenen Kinder.

Nun aber zurück zu Ihnen, sehr geehrter Herr Autowettfahrer Schumacher. In der Nähe meines Wohnsitzes hat man vor vier Jahren eine Umgehungsstraße errichtet. Der Lärm ist groß. Er weicht von der Straße auf und dringt herüber. Die meisten Menschen hier sind schwerhörig, da ist es nicht so schlimm.

Ich aber höre den Lärm sehr gut. Ich bin jetzt 89 Jahre alt. Ich habe in Rußland gekämpft, und ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich von Lärmbelästigung spreche! Bei einem Angriff habe ich auch ein Bein verloren. Es war ein Panzervorstoß bei Stalingrad!

Deshalb frage ich jetzt Sie persönlich: Finden Sie es richtig, daß Sie mit Ihrem Autogefahre Propaganda für das schnelle Autogefahre und Pkw-Herumgebrummse machen? Das Fahren macht hier sehr viel Krach, sehr geehrter Herr Schumi!

Und was das Champagnergespritze betrifft, möchte ich Ihnen raten, davon abzulassen. Mein Mann ist 1944 gefallen, im Elsaß. Ich habe danach noch zweimal geheiratet. Dennoch möchte ich meine Erfahrungen an die Jugend weiterreichen, und ich kann Ihnen bestätigen, daß das Herumspritzen mit Champagner überaus ekelhaft aussieht. Ich finde gar keine Begriffe mehr dafür.

Herr Schumi, hören Sie bitte mit dem Champagnergespritze auf! Es sieht abscheulich und beschämend aus!

Dieser Meinung schließen sich übrigens auch die Pflegerinnen und Zivildienstleistenden meiner Etage an.

Mit freundlichen Grüßen!

Gerhard Henschel