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Kids haben ein Wort mitzureden

Jugendliche wissen am besten, was sie brauchen. In Hellersdorf werden sie deshalb bei der Planung von Jugendeinrichtungen beteiligt. Nur Rechte sind schwer zu erreichen  ■ Von Jutta Wagemann

Als die Kritik an den Skatern und BMX-Fahrern immer heftiger wurde, ergriff der Bezirk die Initiative. Geld war da, jetzt mußte nur noch jemand herausfinden, wie man die Jugendlichen von den Bürgersteigen und Plätzen weg- und zu vorgesehenen Anlagen hinbringen könnte. Hellersdorfs Bürgermeister Uwe Klett (PDS) schickte Heidi Schmidt vom Kinder- und Jugendbüro „Kaktus“ los. Sie quatschte die Kids einfach auf der Straße an, fragte nach ihren Wünschen und Vorstellungen. Das Ergebnis ist die Anlage für Skater und BMX-Fahrer im Hellersdorfer Liberty-Park.

„Die Jugendlichen wissen meistens ganz genau, was sie brauchen“, ist Heidi Schmidts Erfahrung. Für sie ist es daher nur folgerichtig, die Kinder und Jugendlichen an Entscheidungen des Bezirks zu beteiligen. Nicht über deren Köpfe hinweg, sondern mit ihnen wird überlegt, in welche Jugendprojekte sinnvoll investiert wird. Für diese Partizipation scheut der Bezirk keinen Aufwand. Allein für die Skaterbahn organisierte das Büro „Kaktus“ sechs Gesprächsrunden mit Jugendlichen, verschiedenen Stadträten und der Polizei. Davon profitierten alle Beteiligten.

Kinder und Jugendliche interessiert, was vor ihrer Haustür passiert. Sie wollen nicht abstrakt über Projekte für ganz Berlin reden. Die ehemalige Redakteurin der DDR- Kinderzeitschrift Bummi braucht deshalb nur eine Runde durch Hellersdorf zu drehen und findet dabei überall Anregungen für neue Projekte.

Einmal traf sie zwischen ein paar Plattenbauten auf eine Gruppe Jungs, die einen Ersatz für ihren weggefallenen Bolzplatz suchte. Eine Idee hatten sie schon: Sie wollten den Platz vor der Kita in ihrem Viertel nutzen. Der Bezirk mußte die Anregung nur noch aufgreifen.

Voraussetzung für diese Art der Jugendpolitik ist der entsprechende politische Wille. Im jüngsten Bezirk Berlins – jeder dritte der insgesamt 133.000 Einwohner ist jünger als 15 Jahre – nimmt Bürgermeister Klett für die Förderung der Jugendlichen seit Jahren ein Minus im Haushalt in Kauf. 4,6 Millionen Mark stellte er für den Jugendetat bereit, obwohl der Senat dafür nur 300.000 Mark lockermachte.

„Gegen den harten Widerstand von CDU und SPD in der Bezirksverordnetenversammlung“, kündigte Klett an, wolle er auch 1999 soviel Geld für die Jugendlichen bereitstellen. Die Träger der Jugendarbeit halten sogar 10 Millionen Mark für notwendig. Nach langem Hin und Her hat der Bezirk jetzt auch im neuen Einkaufszentraum „Helle Mitte“ eine Lösung für die geplanten Jugendeinrichtungen gefunden. Mit Geld vom Senat will der Bezirk laut Klett im nächsten Jahr mit dem Bau einer Jugendfreizeitstätte beginnen. Zudem wurde ein Investor für ein Freizeitbad gefunden. Eine Umfrage unter 3.000 Hellersdorfer Jugendlichen hatte gezeigt, daß ein Hallenbad ganz oben auf der Wunschliste steht. Bisher gibt es nur eine einzige Schwimmhalle im Bezirk.

„Helle Mitte“ hatte in der Vergangenheit Schlagzeilen mit rechtsextremen Jugendlichen gemacht, die dort Kinobesucher anpöbelten und Schlägereien provozierten. Heidi Schmidt scheute den Kontakt mit ihnen nicht. Sie fragte auch diese Kids nach ihren Bedürfnissen. Doch nur einen Teil der Gruppe konnte sie für ein Jugendheim in Hellersdorf erwärmen. Die anderen hatten an organisierter Jugendarbeit kein Interesse. Klett setzt daher verstärkt auf Streetwork-Projekte, um an die „Problem-Jugendlichen“ heranzukommen.

Problemfälle sind die Kinder, die sich zur Zeit im „Kaktus“ versammeln, mit Sicherheit nicht. Sie malen eifrig Schilder für eine Demonstration, mit der sie heute beim Umweltfest in Hellersdorf auf ein Ärgernis aufmerksam machen wollen: Hundekot allüberall. Anläßlich des Weltkindertags wollen die Zwölfjährigen auf einer Bühne mit Stadträten über das Thema diskutieren. Und wenn sich dennoch nichts ändert? „Dann gehen wir wieder zu Heidi“, sind sie überzeugt. Auf ihre Mitsprache wollen die Hellersdorfer Jugendlichen nicht mehr verzichten.

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