: Das Fußballerleben als Testspiel
■ André Trulsen bewahrt den FC St. Pauli vor einem torlosen Remis gegen Unterhaching
Einen Auswärtssieg und die Sonne mit 20 Grad Celsius im Rücken – das Leben hätte so schön weitergehen können für die Profis des FC St. Pauli. Doch leider, leider hatte der Terminplan für das gestrige Spiel einen Gegner ausgesucht. Anders als der 1. FC Köln im montäglichen Trainingsspiel trat die SpVgg. Unterhaching gänzlich unerwartet mit nicht überfordertem Libero, zwei tatsächlichen Verteidigern und auch sonst geistesanwesenden Spielern an.
Im Gegensatz dazu präsentierte sich der FC St. Pauli eine halbe Stunde lang als idealer Aufbaugegner für ein angeschlagenes Team. „Wir haben die ersten 30 Minuten total verschlafen“, räumte St. Pauli-Trainer Gerhard Kleppinger ein, „und praktisch gewartet, daß sie uns einen reinlegen“.
Eine mißlungene Abseitsfalle, ein zögerlicher Gegenspieler André Trulsen, ein Schuß in den Giebel durch Alfonso Garcia – und die bayerischen Gäste verhielten sich ganz Köln-untypisch, indem sie 1:0 in Führung lagen. Kleppinger vermutete dann auch, seine Mannschaft sei „geschockt“ gewesen, weil es „nicht so einfach war wie in Köln“. Doch das Fußballerleben ist nun mal kein fortdauerndes Trainingsspiel. Und so sah das Publikum fortan stete Bemühungen des Teams, das Millerntor nicht als Drei-Punkte-Ausflugsziel dastehen zu lassen. Cem Karaca (40.), seit der Kölner Offenbarung als Regisseur gepriesen, setzte eine präzise Hereingabe Michael Masons in die Wolken, Markus Lotters Versuch (42.) wurde eben noch von der Linie geklärt.
Aber erst in der Schlußphase schwanden die Kräfte des am Donnerstag pokalbeanspruchten Gegners. Savitchev (75.) und Scherz (81.) scheiterten noch, doch André Trulsen sorgte nach Zuspiel Savitchevs in der Nachspielzeit für den Ausgleich. Als „langer Kerl“ sei er in der Schlußpase eben nach vorne gegangen, erklärte der gelernte Verteidiger danach, ohne sein Mitwirken am Gegentor Garcias (“Ich stand am nächsten dran.“) zu verschweigen. Den Fans war reichlich egal, daß Trulsen mit seinem wechselhaften Geschick zumindest ein gänzlich trostloses 0:0 verhindert hatte. „Ihr habt nur Glück gehabt“, skandierten die Anhänger nach dem Abpfiff.
„Am wichtigsten war“, resümierte Torsten Chmielewski nach dem Spiel, „daß wir heute Moral gezeigt haben“. Und das ist bekanntlich das letzte, das in schweren Zeiten noch bemüht werden kann. Folke Havekost
FC St. Pauli: Thomforde – Seeliger – Stanislawski, Trulsen – Chmielewski (65. Wolf), Karaca, Lotter (57. Savitchev), Puschmann (80. Meggle), Scherz – Marin, Mason.
SpVgg. Unterhaching: Wittmann - Strehmel - Lust, Bucher – Tammen (84. Hartig), Bergen, Zimmermann, Zeiler (87. Hertl), Oberleitner – Rrakli, Garcia (76. Vladimir).
Schiedsrichter: Wack (Gersheim) - Zuschauer: 13.300.
Tore: 0:1 (31.) Garcia, 1:1 (90.) Trulsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen