: Eine WK-Rezension des „gebauchpinselten“ Katers Sunprice von Schindetal
Die Frau war mir gleich sympathisch. „Ei, ei, was bist Du denn für ein Schöner?“ fragte die Dame vom Weser-Kurier, bückte sich zu mir herunter und tätschelte meinen Kopf. Obgleich ich wußte, daß sie recht hatte, fühlte ich mich geschmeichelt. Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für eingebildet, aber ich kann von mir sagen, daß ich tatsächlich außerordentlich schön bin. Ich bin nämlich kein dahergelaufener Straßenkater, sondern ein echter Maine-Coon. Sunprice von Schindetal ist mein Name, und ich wohne bei Frau Meyer in Huchting.
Früher war ich mal Europa-Champion. Daß ich was Besonders bin, hat die Spürnase von der Zeitung natürlich sofort gemerkt. „Du bist aber ein ganz, ganz Schöner“, wiederholte sie. Ich schnurrte laut und strich um ihre Beine. Meine Dosenöffnerin, Frau Meyer, strahlte und bat die Reporterin ins Wohnzimmer an den weißgedeckten Kaffeetisch. Ich ließ mich auf dem Perser-Teppich nieder. „Was der für wache Augen hat“, nickte mir die Journalistin anerkennend zu. Ich zwinkerte dezent zurück. Frau Meyer neigt zur Eifersucht. Die Reporterin kritzelte etwas in ihren Block. „Kaffee, Frau Spangenberg?“ fragte Frau Meyer die Reporterin. „Gern“, antwortete die. Meine Dosenöffnerin hatte sogar das gute Geschirr aus dem Schrank geholt. „Nun erzählen Sie mal“, ermunterte Frau Spangenberg meine Frau Meyer. „Ihr Kater geht tatsächlich bei Fuß wie ein Hund?“ „Ja“, hauchte meine Dosenöffnerin überglücklich. „Seit fünf Jahren haben wir Sunny nun schon.“
Eine geschlagene Stunde erzählte Frau Meyer der netten Frau Spangenberg vom Weser Kurier alles über mich und mein Leben. Ich muß sagen, daß ich sehr gern zugehört habe. Frau Meyer hat nichts vergessen. Sie erzählte von unseren täglichen Sparziergängen, von meiner Karriere als Zuchtkater, sie erwähnte meine Kletterpartie auf den Baum an der Ecke, der zugegebenermaßen etwas zu hoch war. Und auch meine Zahnschmerzen hat Frau Meyer nicht vergessen.
Am nächsten Morgen stand ich ganz groß in der Zeitung – auf der ersten Lokalseite des Weser Kurier. Die Überschrift hätte nicht treffender sein können: „Die Leute bleiben stehen und staunen“. Und dann ganz dick: „Von unserem Redaktionsmitglied Petra Spangenberg“. Was für ein hübscher Name. „Kater Sunny aus Huchting geht täglich mit seinem Frauchen spazieren“, enthüllte der Weser Kurier in der Unterzeile. „Einst war er Europa-Champion“.
Aufgeregt las ich weiter. „Üppiger weißer Kragen, buschiger Schwanz, vier Pfoten (ja, ja, ganz richtig gezählt) und ein durchdringender Blick aus grünen Augen – das ist Sunny. Rund um die Den Haager Straße in Huchting ist der achtjährige Maine-Coon-Kater von Monika Meyer immer wieder Gesprächsthema, denn das anhängliche Tier begleitet sein Frauchen täglich auf kurzen Gängen rund um den Häuserblock. Als der Rassekater mit seinem hübschen, waschbärähnlichen Fell (Coon ist englisch und bedeutet Waschbär) wegen Zahnproblemen das Haus hüten mußte, da waren alle ganz besorgt ... Ich bin halt sehr beliebt in Huchting. Wenn sie (gemeint ist natürlich Frau Meyer) mit den Mülltüten in der Hand an der Wohnungstür steht, dann weiß Sunny ganz genau: Nun geht's los. Bisher ist er kein einziges Mal weggelaufen, seine kühnste Aktion war die Kletterpartie auf einen Baum, von dem sich der Kater nur unter aufmunternden Worten seines Frauchens wieder hinuntertraute“.
Alles, was Frau Spangenberg über mein aufregendes Katzenleben berichtet hat, stimmt aufs Wort. Als ich den Artikel im Weser Kurier gelesen hatte, standen Tränen in meinem durchdringenden Blick aus grünen Augen. Petra, ich bin gerührt. Ich möchte Dir auf diesem Wege für Deinen tollen Artikel danken. Bitte komm bald wieder nach Huchting. Charly, mein Kumpel von nebenan, möchte auch in die Zeitung. Er geht dafür auch bei Fuß. Ehrenwort. Danke, danke, Petra und bis bald. Dein Kater Sunny
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