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Deutsche, gebt den Ausländern eure Stimme!

■ Eine bündnisgrüne Berliner Initiative will Ausländern am kommendem Sonntag zu einer Stimme verhelfen. Deutsche machen ihr Kreuz dort, wo es der nicht Wahlberechtigte wünscht

Berlin (taz) – Die drei Paare könnten verschiedener nicht sein: Der Berliner Kabarettist Dr. Seltsam tut es mit der angehenden Juristin Suweyda Ugan, das PDS- Mitglied Vera Vordenbäumen mit dem politischen Flüchtling Rouzbeh Taheri und die Schweizer Kabarettistin Gabriele Schmalz mit ihrem Liebsten, dem Kabarettisten Horst Evers.

Was nach einer Multikulti-Kontaktvermittlung klingt, hat einen ernsthaften Hintergrund. Die Paare sind einem Aufruf der Berliner Wählerinitiative für den grünen Bundestagskandidaten Christian Ströbele gefolgt und eine „Wahlpatenschaft“ eingegangen. Die Aktion „Suweyda geht wählen“ wendet sich an „das große Potential“ von Menschen, die nicht wählen wollen und ihre Stimme stellvertretend für Ausländer abgeben und ihnen so zu ihrem Wahlrecht verhelfen.

Es sei ein „gesellschaftlicher Skandal“, sagte gestern Matthias Dittmer von der Initiative, „daß Ausländer, die seit Jahren Steuern zahlen, keine Repräsentation im Bundestag haben“. Suweyda Ugan (26), die Juristin, die in Berlin geboren ist, Rouzbeh Taheri (24), der Iraner, der seit 1988 als politischer Flüchtling in Berlin lebt, und die 34jährige Schweizerin Gabriele Schmalz, die seit 12 Jahren in Berlin wohnt, gehören zu jenen Kreuzbergern, die nicht wählen dürfen. Aus den unterschiedlichsten Gründen: Suweyda Ugan, weil sie seit zwei Jahren auf die Bearbeitung ihres Antrags auf Einbürgerung wartet, Rouzbeh Taheri, weil er aufgrund eines Abkommens zwischen Deutschland und dem Iran von 1934 die deutsche Staatsbürgerschaft gar nicht erst beantragen kann. Das hochgesteckte Ziel der Aktion, die von der taz in Form von Anzeigen unterstützt wird, sind 1.000 Wahlpatenschaften, bisher gibt es 15. Um sich nicht strafbar zu machen – das Wahlrecht ist strafrechtlich geschützt –, betont die Initiative, hat sich die Initiative einen Trick einfallen lassen: Die Ausländer „überzeugen“ ihren deutschen Paten von ihrer Parteienwahl. Dieser geht in die Kabine und macht das Kreuz an der gewünschten Stelle. Das Paar Dr. Seltsam alias Wolfgang Kröske/Suweyda Ugan allerdings will gemeinsam die Wahlkabine betreten. „Ich habe ein ärztliches Attest, das das Halten eines Stiftes in meiner rechten Hand tageweise unmöglich ist“, sagte der Kabarettist mit dem verkrüppelten kleinen Finger, der „als Anarchist“ am Wahlkampf interessiert ist. Er will Berlins Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) „mit seiner Ausländerhetze“ herausfordern. Und er setze auf möglichst viele Stimmen für den grünen Direktkandidaten Ströbele im Wahlkreis Kreuzberg/ Schöneberg: „Wenn er mit guter Mehrheit mit Erststimme gewählt wird, tritt er hoffentlich gegen Joschka Fischer an bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden, und dann ist dieser rechte Ex-Genosse erledigt.“ Die Initiative betont, daß es jedem Ausländer freigestellt sei, welcher Partei er seine Stimme gebe. „Den Türken will ich sehen, der DVU wählt“, so Dr. Seltsam siegessicher. Barbara Bollwahn

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