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„Die operieren mit einer Lüge“

Filmemacher Hark Bohm, Ex-Minister Hans Peter Bull und Ex-Senator Helmuth Kern halten „Mehr Demokratie“ für gefährlich  ■ Von Silke Mertins

„Ich bin ein starker Anhänger der direkten Demokratie“, stellte der Hamburger Filmemacher Hark Bohm gleich zu Beginn klar. Und gerade deshalb lehne er den Vorschlag der Initiative „Mehr Demokratie“ ab. Der Gesetzentwurf, der am Sonntag in Hamburg zur Abstimmung steht, versuche „Demokratie als Grundprinzip auszuhebeln“, so Bohm, der gestern zusammen mit dem Ex-Innenminister von Schleswig-Holstein, Hans Peter Bull, und dem Hamburger Ex-Wirtschaftssenator Helmuth Kern (beide SPD) an die Öffentlichkeit appellierte, dem Volksbegehren von „Mehr Demokratie“ keine Stimme zu geben.

Was die Initiative, die den Volksentscheid auf den Weg gebracht hat, beabsichtige, sei mit seiner Vorstellung von Demokratie – „Mehrheitsentscheidung und Minderheitenschutz“ – unvereinbar, so Bohm. Denn kleine radikale Gruppen könnten dann Entscheidungen treffen. Es sei auch unerheblich, ob eine solche Gruppe idealistisch motiviert sei. „Es gab wahrscheinlich sogar idealistische Nationalsozialisten.“ Wenn der Gesetzgeber nicht festlege, wie viele sich an der Abstimmung beteiligen müssen, „läuft das auf eine Kader-Diktatur hinaus“, glaubt der Alt-68er. „Am meisten hat micht geärgert, daß ,Mehr Demokratie' mit einer Lüge operiert“, sagte der Filmemacher. In den Infomaterialien würde suggeriert, daß es noch gar keine Volksgesetzgebung gebe.

Kern befürchtet, daß ohne Mindestbeteiligung nirgendwo mehr Behindertenheime oder Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden könnten, weil es immer AnwohnerInnen gebe, die protestierten. „Es engagieren sich immer diejenigen, die gegen etwas sind.“

Bull, Initiator des Aufrufs gegen „Mehr Demokratie“, begründete sein Engagement damit, daß „die Parteien sich haben einschüchtern lassen“. Da sie diejenigen seien, die ständig wüst von der Initiative beschimpft würden, trauten sie sich nicht, eine Gegenoffensive zu starten. Folglich sei die „Informationslage“ bei der Bevölkerung schlecht. Eine Umfrage des Hamburger Abendblatt hatte vergangene Woche ergeben, daß 75 Prozent beim Volksentscheid nicht wissen, wofür sie stimmen sollen. Mit mehreren Anzeigen in Tageszeitungen rufen Bull, Bohm, Kern und 15 weitere Promis dazu auf: „Stimmen Sie am Sonntag für den Gesetzentwurf der Bürgerschaft.“ Denn „Demokratie braucht Mehrheiten“.

Auch Bull bezeichnet sich als entschiedener Befürworter der Volksgesetzgebung, hält aber die jetzige Regelung für ausreichend. Komme eine angemessene Mehrheit zusammen, müsse man auch „Schlappen einstecken“. In Schleswig-Holstein wehrten sich etwa mehrere Kommunen gegen die Einführung von Gesamtschulen. Was die Initiative veranstalte, sei jedoch, so Bull, „ein Mißbrauch des Ausdrucks Mehr Demokratie, wie Willy Brandt ihn geprägt habe. Es seien „gefährliche Tendenzen“, die keineswegs zu mehr politischer Partizipation führten.

Dieses „zweifelhafte Bündnis der SPD“ könne ihn „überhaupt nicht beeindrucken“, kommentierte Marcus Hiller von „Mehr Demokratie“ den Aufruf. Wie bei Wahlen solle das Prinzip gelten, daß die Mehrheit der abgegebenen Stimmen zählt.

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