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Mit Ping ins Pong-Äon

■ Die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff liest aus „Pong“

Man müßte noch einmal ganz von vorne anfangen, alles Geschehene ungeschehen machen und die Evolutionsuhr bis zum Urknall zurückdrehen. Was dann vielleicht ertönte, nennt Sibylle Lewitscharoff den „Großen Ratsch“, aus dem heraus sie ihren Protagonisten namens Pong in die Welt entläßt.

Pong, „der Ratschbürtige“, unterscheidet sich von anderen Menschen durch eine „dünne, durchlässige Haut“, durch deren Poren Wahrheit passieren kann, Lügen aber herausgefiltert werden. Seine größte Sorge ist, „bloß hingekritzelt zu sein“, seine oberste Pflicht, „das Land zu entvölkern“, damit „die Großmenschenzeit in eine Kleinmenschenzeit übergehen“ kann. Eine neue Zeitrechnung, „auf die man landauf, landab verzweifelt wartet“, soll endlich beginnen. Also: Mit einem „scharfen Ping“ den „Pong-Äon“ einläuten.

Im Zentrum der Welt wohnen die Verrückten, und nur dort begegnen wir Pong, mehr Klang als Mensch. Zwar spricht die Außenwelt unentwegt zu ihm: „Das Lindenblatt, das vor ihm im Wind glitzert, bekennt seine Mitschuld am Tod des Nibelungen Siegfried und fordert ihn auf, einmal mit dem Finger über es zu steichen und die kaum mehr zu tragende Schuld fortzuwischen.“ Aber Pong selbst kann nicht nach außen dringen. Er ist ein geschlossenes Sprachsystem. Seine Dialogversuche verebben im Nichts.

Sibylle Lewitscharoff ist das, was man im besten Sinne eine anachronistische Schriftstellerin nennt. Die Buchhalterin, die in diesem Jahr überrraschend, aber mit einer lange nicht mehr dagewesenen Einstimmigkeit der Juroren, den Klagenfurter Literaturwettbewerb gewann, findet ihre Quellen eher bei Hesiod und in der Bibel als in der Gegenwartsliteratur, und ihre metaphernreichen Sprachspiele erinnern an eine Zeit, als die Dichter noch Sänger waren.

Joachim Dicks

Sibylle Lewitscharoff: „Pong“, Berlin-Verlag, Berlin 1998, 144 Seiten, 34 Mark

Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturhaus

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