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Fettiger Fisch auf Vormachtstellung

„fish and chips“, das British Art and Design Festival im stilwerk, zeigt Innovationen von der Insel  ■ Von Hajo Schiff

Die Vertiefung des Aschenbechers hat die Form der menschlichen Lunge. Ist das nun very british, wie es der Rahmen der Design-Schau fish & chips nahelegt? Schwer zu sagen, ist doch Großbritannien gerade gewaltig dabei, sein Image zu ändern. Und so nahe der Englandfähre gelegen, war es schon lange fällig, daß sich das stilwerk, die Design-Fabrik zum Gucken und Kaufen, mit Produkten und Dokumentationen dem Nachbarland widmet. Jetzt haben alle Shops was von der Insel – nicht nur fettige fish & chips. Durch die Kooperation mit dem Museum für Kunst und Gewerbe gibt es weitere Präsentationen, etwa von den diesjährigen Abschlußarbeiten des Royal College of Art.

In den Läden fällt das Brit-Design kaum auf, schließlich ist Sir Terence Conran sowieso mit einem seiner sechs internationalen Läden hier vertreten. Englisches Design hat Tradition in der Hansestadt. Doch bemerkenswert ist, mit welcher Energie sich das Vereinigte Königreich gegen alle Klischees von Regenschirm und Queen, Pub und gediegener Gemütlichkeit hier wie anderswo als Innovationspool verkauft. Sei es bei der Weltausstellung in Lissabon, sei es über das Design Council, sei es in den kaum anders als gigantisch zu nennenden Bauvorhaben im Großbereich London: Das Stichwort heißt Millennium. Wohl kaum irgendwo sonst auf der Welt wird das Datum 2000 derartig als Investitions- und Veränderungsgrund benutzt.

Vom Wassercontainer für Flüchtlingslager bis zur taifunsicheren Lantau-Brücke, von recy-cling-Bleistiften zu Flugzeugturbinen zeichnet das Design Council Neuentwicklungen als „Millenniumproducts“ aus und behauptet eine Vorrangstellung, die der Musik- und Videomarkt der Insel längst selbstverständlich einnimmt. In großformatigen Fotografien zeigt der 27jährige Londoner Seamus Nicolson Bilder der Clubszene, die als Schnappschüsse oder als durchkomponiert wahrgenommen werden können, die mal als artifiziell kalkuliert, mal mit dem unsäglichen Wort „authentisch“ bezeichnet werden.

Auch architektonisch hat sich London eine permanente Veränderung verordnet. Das umfangreiche Programm von Umbauten, Parks und städtebaulichen Konzepten, den Neubau des größten Kinos Europas oder den zwei Milliarden Mark teuren Millennium-Dome: All das zeigt die Architecture Foundation in einem Computerprogramm im 7. Stock, der Ausstellungsabteilung des stilwerks. Zwischen Videos und Exponaten von Mode bis zu Aschenbechern ist dort auch Zugang zum virtuellen Archiv des britischen Designs mit 35.000 Belegen. Oder doch lieber etwas kaufen? Der Jaguar, der vorm Ausgang parkt, gehört nicht zur Ausstellung. Er zeigt aber, daß es nicht ganz billig ist, sich britischem Lifestyle zu verschreiben.

stilwerk, Große Elbstraße 68, Ausstellungen: Mo – Sa 12 – 20, So 12 – 18 Uhr, bis 18. Oktober, Virtual showroom: www.virtualdesign centre.com; „New Trends In British Design“, Symposion mit den Top-Designern Tom Dixon, Michael Horsham und Peter Saville sowie Gareth Williams vom Victoria & Albert Museum und Keith Dobson, dem Direktor des British Council Deutschland: 1. Oktober, 18.30 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe

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