: Unerwarteter Erfolg
■ Eine der besten Wahlkampf-Websites will zum dauerhaften Internet-Magazin werden
Ganz am Anfang hatten Lars Hinrichs und Peer-Arne Böttcher sich nur eine Internet-Adresse gesichert: www.wahlkampf98.de. Diese Adresse, da waren sich die jungen Unternehmer Anfang 1997 noch sicher, war an sich schon eine Geschäftsidee. Sie boten Parteien und Verlagen an, eine Wahlkampf-Site für sie zu gestalten – doch niemand biß an. Notgedrungen hatten sich Böttcher und Hinrichs Ende 1997 entschieden, die Sache allein durchzuziehen.
Inzwischen ist Wahlkamp98 stets eine der ersten Links auf den Surftips von Suchmaschinen und politischen Webanbietern – für coffee-house.net, eine Site, die Erstwählern unter den Surfern zur Wahlurne locken will, ist Wahlkamp98 sogar „klarer Wahlsieger“. „All diejenigen, die damals nicht auf uns reagiert haben, sind heute unsere Partner“, sagt Peer- Arne Böttcher stolz. Täglich erscheint ein Pressespiegel mit allen wichtigen Beiträgen zur Wahl von ARD über taz bis Welt, dazu Umfrageergebnisse, Politiker-Chats und die Phrasendreschmaschine (siehe taz vom 27.8.98).
Doch nächste Woche ist der Wahlkampf schon zu Ende. Und Lars Hinrichs und Peer-Arne Böttcher brauchten einen Grund, weiter Tage und Nacht durchs Netz gleiten zu dürfen. Der Grund kam – wie es sich das für netizens, Netzbürger, gehört – per E-Mail: Im April fragte Philipp Stradtmann, ein 25jähriger Medienmanagementstudent, ob ihm die Macher ein paar Fragen zum Thema Politik und Internet beantworten könnten. Innerhalb von ein paar Minuten gingen ein paar E-Mails hin und hier, inzwischen ist Stradtmanns Diplomarbeit die Grundlage für das Nachfolgeprojekt www.politik-digital.de, das seit vergangenen Freitag im Netz steht.
Während Böttcher Wahlkamp98 eher als „Christo-Projekt“ beschreibt („Wir liefern nur eine Verpackung für fremde Inhalte“), soll politik-digital als wöchentlich aufbereitetes Internet-Magazin selbst Inhalt produzieren. Für die Untersuchung des „Einflusses von New Media und digitale Vernetzung“ auf die Politik konnten die drei prominente Autoren gewinnen, wie den Politologen Claus Leggewie, den Vorsitzenden der Bundestags-Enquetekommission Siegmar Mosdorf (SPD) oder den Journalisten Friedrich Küppersbusch.
Gegenüber ihrem alten Projekt haben Hinrichs und Böttcher die neue Website politik-digital zusammen mit Stradtmann gründlich abgespeckt: Einen kompletten Pressespiegel wird es nicht mehr geben, nur noch ausgesuchte Artikel, die die Schnittstelle zwischen Netz und Politik beschreiben. „Wir müssen das ja diesmal länger als 250 Tage durchhalten“, begründet das Peer-Arne Böttcher.
Doch finanziell stehen sie wieder ganz am Anfang: auf der Suche nach einem Verleger. Bannerwerbung solle tabu bleiben, so der ehrgeizige Plan, denn das passe nicht zum seriösen Angebot. Böttcher möchte am liebsten „Beiboot“ sein „an einem Verlagsdampfer“ – eine Art Edel-Link im Verlagsangebot. Zunächst erhält noch keiner Geld. Zumindest Peer-Arne Bötcher und Lars Hinrichs sind das gewohnt: Auch bei Wahlkamp98 wurde nur eine Person bezahlt, der Student, der jede Nacht den Medienspiegel macht. Zwar ist die jetzige Magazin-Version noch vorläufig (im November soll's richtig losgehen), doch die Anmutung ist schon jetzt professionell – der Wahlkampf 98 hat sichtbar trainiert. Doch auch Böttcher ist klar, daß der Erfolg diesmal vom Inhalt abhängt und damit vom Geld, denn „auf Dauer werden die Autoren nicht umsonst für uns schreiben“. urbach@taz.de
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