■ Standbild: Ganz moralinfrei
„Der Handymörder“, Di., 20.15 Uhr, Sat.1
Die Liebe ist schon eine Qual. Wenn dann der Lover auch noch den Bundeskanzler erschießen will, muß man schon beim BKA sein, um den Durchblick zu behalten. Dabei hatte sich Jung-Kommissarin Nicola (Natalia Wörner) doch eigentlich bloß in den introvertierten BKA- Psychologen Victor (Jochen Horst) verliebt. Und daß der ein „Schläfer“ war, ein DDR- Agent also, eingeschleust in die BRD, um dort im Notfall aktiv zu werden, konnte ja kein Mensch wissen...
Souverän trat „Der Handymörder“ an der 08/15-Pfütze vorbei. Klischee-Verdächtiges wie „Waisenkind“, „Liebesdrama“ oder „Ost gegen West“ jedenfalls erzählte der Film moralinfrei und ohne übertriebene Sentimentalität. Und als Stasi-Mann Dreher, für dessen Freilassung Victor aktiviert worden war, ganz unpassend im Gefängnis starb, inszenierte Regisseur Hans Werner den Vertuschungsversuch wie eine Szene aus Hitchcocks „Cocktail für eine Leiche“: Im Kühlhaus mühten sich BND und BKA um den steifen Dreher und präparierten ihn zwischen rosa Schweinehälften in Hans-Martin- Schleyer-Pose fürs Pressefoto, bis die Gegensätze zwischen Ost, West, Gut und Böse in derart gekonnten Überzeichnungen endgültig verschwammen. Überraschend ungewöhnlich auch die Kameraführung: Als ein Sprengstoffexperte in einer Art Taucheranzug heftig atmend eine Bombe entschärfte, war auch das Bild so verzerrt, daß man glaubte, man schwitze selbst unterm Taucherhelm.
Warum der Film „Der Handymörder“ hieß? Noch ein Fall fürs BKA. Warscheinlich, um bei diesem gelungenen Krimi wenigstens im Titel einen Rest des gewohnten Sat.1-Eigenproduktionen-Charmes zu versprühen. Kerstin Kohlenberg
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