Konstruktives Gottvertrauen

■ In Potsdam tagten die Intendanten der ARD-Anstalten. Ihr Versuch, deren künftige Struktur selbst zu bestimmen, endete vorerst allerdings in allgemeiner Verwirrung

Die Szenerie war konfus. Auf der Pressekonferenz nach der ARD-Sitzung in Potsdam hatte der ARD-Vorsitzende und MDR- Intendant Udo Reiter gerade noch erklärt, die Intendanten hätten sich „kräftig aufeinander zubewegt“ und die Strukturreform des Senderverbundes nehme endlich Gestalt an. Da ließ Fritz Raff, Chef des kleinen Saarländischen Rundfunks, eine eigene Pressemitteilung austeilen: Was da die großen Sender über die Finanzen der Kleinen verlautbarten, sei „zu kurz bemessen“. Nachdem sich Reiter und der Chef des Senders Freies Berlin vor versammelter Presse noch über Absichtserklärungen von 1996 gezankt hatten, hörte Reiter sich plötzlich sagen, die ARD sei „keineswegs zerstritten wie nie zuvor“. Er fügte dann doch lieber noch einen Satz hinzu: „Die Sitzung ist von einem konstruktiven Gottvertrauen geprägt gewesen.“

Eigentlich wollte die ARD nicht auf den Allmächtigen hoffen, sondern ihre Zukunft selbst bestimmen. Weil die Regierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen auf eine Abschaffung des ARD-Finanzausgleichs zwischen großen und kleinen Sendern drän- gen, erbaten alle Ministerpräsi- denten Vorschläge der Sender. Doch trotz langwieriger Verhand- lungen waren sich die Intendanten am Mittwoch immer noch uneinig.

Immerhin kam Udo Reiter von seiner Maximalforderung ab, um das Jahr 2010 dürfe gar kein Rund- funkgebühren-Geld mehr aus den Kassen der Großen an die Kleinen fließen. Statt dessen machte Reiter gemeinsam mit seinen Kollegen von den anderen großen Sendern WDR, NDR, BR und SWR ein Angebot: Während bisher im Jahr 186 Millionen Mark an Radio Bremen, Saarländischen Rundfunk und den Sender Freies Berlin gehen, sollen es um 2010 nur noch 80 Millionen sein. Der SFB soll ganz auf Zahlungen verzichten.

Die Kleinen protestieren. Ihre Budgets sind schon seit Jahren be- schränkt. Deshalb stemmt sich vor allem Saarlands Intendant Raff dagegen, daß die Diät sofort beginnt. Außerdem will er, daß am Schluß nicht 80, sondern 120 Millionen übrigbleiben. Mit Händen und Füßen wehrt sich auch SFB-Intendant Horst Schättle. Auf seinen Sender kommen zusätzliche Geldprobleme zu, weil Gebührenzahler von der Hauptstadt ins brandenburgische Umland abwandern und dann dort Rundfunkgebühren zahlen. Dummerweise hatte Schättles Vorgänger Günther von Lojewski voreilig verkündet, nach dem Jahr 2000 habe der SFB kein fremdes Geld mehr nötig. Schättle lamentierte indes, da habe „irgendwer, irgendwo, irgendwann eine Prüfung zugesagt“. Reiter konterte: „Das hat der Intendant vor elf Zeugen definitiv erklärt.“

Zu Schättles Erstaunen preschte am Mittwoch sein ORB- Kollege Hansjürgen Rosenbauer vor, indem er vorschlug, wie ein fusionierter Sender Berlin Brandenburg auszusehen habe: 1.400 Festangestellte müsse eine Zwei-Länder-Anstalt haben, 600 vom ORB und 800 vom SFB. Schättle, der bisher 1.200 Mitarbeiter beschäftigt, müßte somit ein Drittel seines Personals abbauen. Er sei sich „nicht so sicher“, beeilte sich der SFB- Chef zu beschwichtigen, daß das im Falle einer Fusion nötig sei. Und ohne ARD-Hilfe könne ein Berlin-Brandenburg-Sender sowieso nicht geschaffen werden.

Neben den Geldfragen ist noch offen, wieviel welche Anstalt künftig zu sagen hat. Ob bei den Intendanten oder in Programmkonferenzen, wo um Brennpunkt-Sondersendungen und Tagesthemen- Kommentare gestritten wird: Bisher zählt die Stimme des großen WDR genauso viel wie die Radio Bremens. CDU-regierte Länder ärgert das schon lange, weil Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk und der ORB allesamt eher links einzuordnen sind. Jedoch klammerten die Intendanten diese Frage aus. Das habe „keine große Rolle“ gespielt, sagte Reiter. Vorerst: Aus der bayerischen Staatskanzlei verlautete gestern, auch wer wieviel zu sagen habe, sei letztlich wichtig. Georg Löwisch