: Erste Gehversuche im Zwischenland
■ Die bundesweit erste Clearingstelle für minderjährige Drogenabhängige in Friedrichshain eröffnet
„Noch bevor ihr junges Leben eine Chance bekam, mußte Sabrina (14) diese Welt verlassen!“ Zeilen einer Todesanzeige, die vor ein paar Monaten im Straßenmagazin Zeitdruck zu lesen waren. Nach einer Überdosis Heroin ist sie nicht mehr aus dem Koma aufgewacht. Für Sabrina und viele andere minderjährige Drogenabhängige kommt jede Hilfe zu spät. Doch anderen kann noch geholfen werden.
In dieser Woche wurde die bundesweit erste Clearingstelle für minderjährige Drogenabhängige von Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) eröffnet. Die bisherige Drogenpolitik habe sich zu sehr auf erwachsene Konsumenten konzentriert, sagte Stahmer. Ein neuer konzeptioneller Versuch soll dort ansetzen, wo Drogenprobleme entstehen.
„Zwischenland“ heißt das neue Wohnprojekt zur Neuorientierung und Integrationsvorbereitung, das die Hilfsorganisation Karuna in Zusammenarbeit mit der Jugendverwaltung in den letzten Monaten entwickelt hat. In Friedrichshain bietet eine bunte Fabriketage zehn Kindern und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr viel Raum und Zeit zum „Ankommen, Ausruhen und Neuaufbrechen“. Wer sich fertig fühlt, drauf ist oder gerade zu ballern angefangen hat, kann im neuen Karuna-Projekt „zwischenlanden“.
Zu den ersten Gästen gehört Marco (15), der seit fünf Jahren täglich Haschisch konsumiert und deshalb zur 9. Klasse rausflog. Oder Petra (17), die zwei Jahre auf der Straße gelebt hat und ihre Drogenprobleme endlich loswerden will. Im Zwischenland unternehmen sie nun ihre ersten Gehversuche im cleanen Leben und wagen einen Neubeginn mit offenem Ausgang. Während eines mehrmonatigen Aufenthalts können sie „verborgene Ressourcen entdecken und bereits entwickelte Lebens- und Überlebensstrategien positiv nutzen“, wie es in einer Informationsbroschüre des Hilfsprojektes heißt. Die Jugendlichen sollen eine neue Perspektive für ihr Leben entwickeln.
In diesem Prozeß sehen sich die Sozialpädagogen und Sozialarbeiter als Initiatoren und Begleiter, nicht aber als Macher. „Die Hauptakteure dieses schöpferischen Aktes sind die Kids“, erklärt Fred Rehberg (36), Leiter von Zwischenland. Die Aufgabe des multiprofessionellen Teams bestehe darin, Leuchtfeuer zu setzen. Den Weg darum herum bestimmen die Jugendlichen im wesentlichen selber.
So möchte Marco irgendwann „ein ganz normales Leben führen, vielleicht eine Ausbildung als Schreiner oder Maler machen“. Petra hat sich „noch keine Platte gemacht“, was nach Zwischenland kommt. Sie lebe einfach von Tag zu Tag, sagt die Jugendliche. Mark Riklin
Hilfe rund um die Uhr bietet das Zwischenland, Boxhagener Straße 117, 10245 Berlin, Tel: 29 66 88 60.
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