piwik no script img

Grüne: Haushalt ist verfassungswidrig

■ Haushaltsexpertin Michaele Schreyer kritisiert die zu hohe Verschuldung im Haushalt für 1999. Liegenschaftsfonds unrealistisch

Der Haushaltsentwurf für 1999 ist nach Auffassung der grünen Haushaltsexpertin Michaele Schreyer verfassungswidrig. Nach der Landesverfassung dürfen Kredite nur zur Finanzierung von Investitionen aufgenommen werden. 1999 beträgt die geplante Kreditaufnahme 4,1 Milliarden Mark. Die eigenfinanzierten Investitionen sind mit 2,9 Milliarden Mark veranschlagt. Nur durch den Trick, die von Dritten finanzierten Investitionen in Höhe von 2,5 Milliarden Mark hinzuzurechnen, übersteigen die Investitionen die Neuverschuldung.

Diese Praxis hat der Rechnungshof in der Vergangenheit allerdings mehrfach gerügt. Die Grünen prüfen, ob sie eine Verfassungsklage einreichen wollen. Da dies von einem Viertel des Parlaments unterstützt werden müßte, wären die Grünen auf die PDS angewiesen. PDS-Haushaltsexperte Harald Wolf verspricht sich aber wenig von einer Klage vor dem Verfassungsgericht. Als politische Konsequenz müsse man erklären, wie man die Nettoneuverschuldung schneller abbauen will, so Wolf. Damit würde der Sparkurs nochmals verschärft. Eine Klage würde Wolf dagegen bei den Schattenhaushalten in Erwägung ziehen.

Die versteckte Kreditaufnahme ist auch Schreyer ein Dorn im Auge. Als Beispiel nannte sie die zusätzliche Kreditaufnahme von 300 Millionen Mark für Krankenhausinvestitionen 1999. In den Jahren 2000 bis 2002 kämen weitere 310 Millionen hinzu, die nicht im Haushalt ausgewiesen seien. Die Finanzplanung weise nicht einmal aus, wie hoch die Gesamtbelastung durch Tilgung und Zinszahlung für die auf 20 Jahre angelegte Rückzahlungen sein werde, so Schreyer.

Ein weiteres Beispiel: Für sogenannte Sonderfinanzierungen, aus denen auch der Ausbau der Messe bezahlt werde, seien im nächsten Jahr 111 Millionen eingeplant, die auf 168 Millionen Mark im Jahr 2002 ansteigen werden.

Mit großer Skepsis betrachtet Schreyer auch den Liegenschaftsfonds, mit dem der Schuldenberg der Stadt abgebaut werden soll. In seltener Übereinstimmung mit CDU-Fraktionschef Klaus Rüdiger Landowsky, erklärte sie, es sei „sehr unrealistisch“, durch den Verkauf von öffentlichen Grundstücken und Gebäuden im nächsten Jahr eine Milliarde Mark für Zinsen und 320 Millionen Mark für die Tilgung zu erzielen. Dazu kämen noch der Anteil von durchschnittlich 15 Prozent, der Bezirken und Fachverwaltungen aus dem Erlös zusteht. Auch die Betriebsausgaben des Geschäftsbesorgers müßten daraus finanziert werden. Angesichts der derzeitigen Lage auf dem Immobilienmarkt könne das Ziel nur erreicht werden, wenn auf angemessene Preise verzichtet werde.

Im Haushalt sei die Zinsreduzierung von einer Milliarde aber schon fest eingeplant. „Finanzsenatorin Fugmann-Heesing hat noch nicht erklärt, was passiert, wenn die Zinsen nicht abgetragen werden“, so die grüne Haushaltsexpertin Schreyer. Es sei noch unklar, ob der Liegenschaftsfonds dann Kredite aufnehmen oder die Grundstücke beleihen dürfe.

Schreyers Fazit: Von einer Konsolidierung des Haushalts ist Berlin noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr sei Fugmann-Heesing davon ausgegangen, daß bereits im Jahr 2001 die Haushaltslücke durch Kreditaufnahme ausgeglichen werden könne. Nun erwarte sie für 2001 eine Deckungslücke von zwei Milliarden, für 2002 noch 1,36 Milliarden Mark. Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen