: 467 Bauern setzen auf das Kraut gegen Dummheit
■ Auf 3.600 Hektar ist 1998 Hanf angebaut worden. Für die vielfältigen Hanfprodukte fehlt noch eine flächendeckende Vertriebsstruktur. NRW-Landwirte erhalten politische Rückendeckung
„Immer mehr Hersteller entdecken die Vorzüge der Hanfpflanze als umweltfreundlichen Rohstoff“, sagt Hans-Bernd Hartmann, Agrarexperte bei der Landwirtschaftskammer Westfalen- Lippe. Anfang September wurde auf dem dritten NRW-Hanftag Bilanz gezogen. 140 Teilnehmer, überwiegend Landwirte und Unternehmer, diskutierten über marktreife Anwendungsmöglichkeiten der THC-armen Cannabispflanze. Erstmalig wurden Produkte vorgestellt, die schon serienreif sind und künftig quasi vom Band produziert werden können.
Beispiel: die Firma Otto Heck aus Gummersbach. Der mittelständische Betrieb beschäftigt 15 Mitarbeiter und stellt Dämmstoffe aus Recyclingpapier her. Bereits vor Jahren beschäftigte sich Geschäftsführer Peter Weber-Heck damit, ein ökologisches Isoliermaterial auf Hanfbasis zu entwickeln. „Bei unseren Pilotprojekten haben wir nach kurzer Zeit festgestellt, daß Hanf ein idealer Grundstoff für die Schall- und Wärmedämmung ist“, so Weber-Heck. Im Vergleich zu konventionellen Produkten wie PE- und PVC-Folie bietet die Hanfdämmung zahlreiche Vorteile. Während herkömmliche Materialien leicht brennbar sind, bei der Produktion viel Energie verbrauchen, Schadstoffgase entweichen können und zudem Schweißwasserbildung nicht ausgeschlossen ist, spricht für die neuartigen Hanfmatten, daß sie atmungsaktiv und wasserdicht sind, keine gesundheitsgefährdenden Gase produzieren und vor allem Allergien vorbeugen.
Die Produktion der ökologisch unbedenklichen Hanf-Isomatten läuft an, der Vertrieb steckt jedoch noch in den Kinderschuhen und kommt erst ganz allmählich ins Rollen. Politischen Flankenschutz erhalten die NRW-Hanfbauern und die Handvoll Hersteller an Rhein und Ruhr von Bauminister Michael Vesper. Bei seinem Besuch auf dem Hanftag im westfälischen Bad Sassendorf plädierte der bündnisgrüne Minister für den zügigen Ausbau des neuen heimischen Rohstoffs. „Hanf ist das Kraut gegen die Dummheit, denn Ökonomie und Ökologie schließen sich hier keineswegs aus.“
Knapp 14 Hektar Hanf hat Arnulf Rolfsmeyer in diesem Jahr angebaut. Der Landwirt will als einer der ersten in Deutschland zertifiziertes Saatgut der Sorte Fasamo herstellen. „Wenn alles klappt, werden wir im nächsten Jahr eine eigene deutsche Saatgutsorte zur Verfügung haben“, hofft Bauer Rolfsmeyer.
Insgesamt sind die Landwirte mit der dritten legalen Hanfernte zufrieden. Bundesweit wurde in diesem Jahr auf einer Fläche von knapp 3.600 Hektar Hanf angebaut. Trotz einer Absenkung der EU-Prämien von 1.400 auf 1.292 Mark pro Hektar haben mehr Betriebe als im vergangenen Jahr auf die üppig sprießenden Cannabispflänzchen gesetzt. Die Zahl stieg von 423 auf 467. Dazu beigetragen hat vor allem die Aussicht auf eine verbesserte Vermarktung der 98er Ernte. Rund 40 neue Produkte sind allein auf dem Bausektor von überwiegend mittelständischen Betrieben aus der Taufe gehoben worden. Wenn die Industrie mitzieht und neue Vertriebsstrukturen aufgebaut werden, dann könnte sich in den kommenden Jahren eine ganze Reihe von preiswerten Hanfprodukten gerade im Baustoffhandel durchsetzen. Michael Franken
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