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Kein Schandfleck mehr fürs Dorf

■ In Wochenendschichten baute eine Rotenburger Initiative ein verfallenes Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert wieder auf

Jedes Jahr verleiht die Interessensgemeinschaft Bauernhaus einen mit 3.000 Mark dotierten Preis für den Erhalt von kulturellem Erbe im ländlichen Raum. Diesjähriger Preisträger ist die „Initiative zur Rettung von Eckes Hus“, die ein Bauernhaus in Ostereistedt in ehrenamtlicher Arbeit wieder aufgebaut hat. Zu der Initiative gehört auch Susanne Dörfler.

taz: Sie haben den diesjährigen „Julius-H.-W.-Kraft-Preis“ gewonnen, weil Sie ein altes Hallenhaus wieder aufgebaut haben. Was ist denn ein Hallenhaus?

Susanne Dörfler, Initiative zur Rettung von Eckes Hus: Ein niederdeutsches Hallenhaus ist ein Fachwerkhaus. Sicher kennen sie diese typischen alten Bauernhäuser, in denen die Menschen lebten und auch ihr Vieh hatten. Im Hausinneren sind zwei Ständerreihen, es hat eine große Diele und hinter der Herdstelle ein Kammerfach, das sind die schmalen Räume, in denen die Menschen schliefen.

Wieso haben Sie das Haus saniert?

Dieses Haus ist das älteste Haus im Landkreis Rotenburg. Ein Bekannter von uns hat das Haus schon vor zwanzig Jahren zufällig entdeckt. Wirstellten fest, daß das Innengefüge so altertümlich ist wie bei keinem anderen Haus hier in der Gegend. Damals war das Haus bewohnt. Als es später leer stand, fing es langsam an zu verfallen. Weil es unter Denkmalschutz steht, konnte der Eigentümer es nicht abreißen lassen; er hätte aber auch eine Sanierung nicht bezahlen können. Irgendwann kam in Ostereistedt Mißmut auf, weil das Haus ein Schandfleck fürs Dorf war, das Dach war am Ende eingestürzt. Daraufhin wollte die Gemeinde einen Abrißantrag stellen; das ist auch bei denkmalgeschützten Häusern möglich. Als wir davon hörten, dachten wir, es geht doch nicht, daß das älteste Haus im Landkreis einfach abgerissen wird.

Wer gehört zu der Initiative?

Mein Mann und ich, ein Architekt und ein Zimmermann aus dem Ort. In unserem Bekanntenkreis haben wir schnell Leute gefunden, die bereit waren, bei der Erhaltung des Hauses zu helfen.

Was mußten Sie an dem Haus machen?

Wir mußten es rundum sichern. Der Dachstuhl war eingestürzt, dadurch regnete es massiv rein. Wir haben dann den Dachstuhl heruntergenommen, und dabei sind die Außenwände nach außen abgeklappt. Wir haben also als erstes das Ständerwerk saniert, dann haben wir den Dachstuhl wieder aufgesetzt. Zuletzt haben wird die Außenwände aufgestellt und neu aufmauern lassen.

Wie lange hat die Sanierung gedauert?

Seit 1994 arbeiten wir an dem Haus.

Haben Sie dabei bestimmte Materialien verwendet oder spielte das keine Rolle?

Doch, sicher, wir haben hauptsächlich alte Materialien verwendet. Allerdings war ursprünglich ein Strohdach auf dem Haus. Das war aber schon lange durch Onduline-Platten, einer Art Dachpappe, ersetzt. Weil uns ein Reetdach zu teuer war, haben wir wieder Onduline-Platten verwendet. Wir sind aber noch nicht ganz fertig, sondern veranstalten ab und zu Bau-Sonnabende, da treffen wir uns mit allen freiwilligen Helfern und arbeiten weiter.

Sie arbeiten alle ehrenamtlich an dem Haus, obwohl es keinem von ihnen gehört.

Ja.

Wer trägt die Kosten, die dabei entstehen?

Wir haben Spenden gesammelt und Zuschüsse von der Bezirksregierung, der Gemeinde und der Sparkassenstiftung bekommen.

Was passiert jetzt weiter mit dem Haus?

Man kann es besichtigen. Sobald das möglich ist, werden wir es für unsere Vereinszwecke nutzen.

Der Besitzer wird es nicht nutzen?

Nein. Er ist froh, daß wir es wieder aufgebaut haben und stellt uns frei, es zu benutzen.

Lohnt es sich, das Haus zu besichtigen?

Sie können dort ein niederdeutsches Hallenhaus in seiner urspünglichen Form sehen. Am Ständerwerk erkennt man, wie alt das Haus schon ist.

Was heißt das?

Man sieht zum Beispiel, was für mächtige Balken da verbaut wurden. Sowas gab es später nicht mehr. Auch die Art der Verarbeitung weist auf das Alter des Hauses hin. Zum Beispiel die Kopfbänder – wissen Sie, was ein Kopfband ist?

Nein.

Das ist das Holz, das den Ständer mit dem darüberlaufenden Balken verbindet, das kleine, schräge Teil, das da eingebaut ist. Die Kopfbänder in dem von uns sanierten Haus sind keine einfachen Bretter, das sind richtig den Winkel ausfüllende, kunstvoll gearbeitete Hölzer. Sowas gab es nur im 16. Jahrhundert. Danach wurde anders gebaut, viel weniger materialaufwendig.

Können Sie nach dieser Sanierung jetzt Leuten, die ein altes Haus renovieren wollen, hilfreiche Tips geben?

Ja, aber das konnten wir auch vorher schon. Für die Interessengemeinschaft Bauernhaus beraten wir Bauherren und Interessierte. Es kommen häufig Leute zu uns, die so ein altes Haus kaufen wollen. Viele sehen sich unser Haus an. So können sie sich schon mal einen Eindruck verschaffen, was bei einer Renovierung auf sie zukommt. Karen Adamski

Kontaktadresse: Susanne und Wolfgang Dörfler, Tel. 04286/1456

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