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Ost-Patienten suchen oftmals nur äußere Schuldige

■ Experte: Die deutsche Einheit ist in ostdeutschen Psychoanalytiker-Praxen weiter ein großes Thema. Oft würden persönliche Schwächen auf Probleme der deutschen Vereinigung projiziert

Lindau/Rostock (dpa) – Fast zehn Jahre nach dem Fall der Mauer sind die Folgen der deutschen Einheit nach Expertenerfahrung auch in den Praxen ostdeutscher Psychoanalytiker noch immer ein Thema. „Das kommt bei fast jeder Behandlung zur Sprache, weil sie einen Bruch in der Biographie bedeutet“, sagte der Rostocker Psychoanalytiker Peter Wruck anläßlich der 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse und Tiefenspychologie (DGPT) am Wochenende in Lindau.

Im Westen seien Probleme der deutschen Vereinigung bei Fachkollegen auf der Couch jedoch so gut wie gar kein Thema, weil sich dort im persönlichen Umfeld kaum etwas geändert habe, meinte Wruck. Patienten mit Störungen des Selbstwertsgefühls sähen dabei unstrittige Probleme der deutschen Vereinigung häufig dort als Ursache, wo persönliche Fehlentwicklungen das Hauptproblem seien. „Damit jemand aber aus seiner Kränkung herausfindet, ist es wichtig, daß nicht nur einseitig äußere Ursachen angeschuldigt werden“, sagte Wruck.

Auf der Couch äußerten diese Patienten dann, daß sie zum Beispiel Hemmungen hätten, sich um eine Arbeit zu bewerben oder sich durchzusetzen. „Es ist ein Gefühl des Ausgeschlossenseins.“ Wichtig in der psychoanalytischen Arbeit sei es für den Patienten zu erkennen, daß er sich auch selbst ausgrenze.

Nach Wrucks Beobachtung dient zu diesem Verhalten häufig eine „Lebenslüge“, mit der eigene Schwächen verleugnet werden. „Es ist auffällig, daß dieser individuelle Mechanismus der Verleugnung der eigenen Schwächen in der DDR offizielle Moral war“, sagte der Psychoanalytiker – eine Moral, die ihre Stärke daraus geschöpft habe, ständig einen Gegner entdeckt zu haben. „Der Hauptgegner dieser Moral war in Wirklichkeit aber die Stärke des einzelnen“, sagte Wruck. Dieser Mechanismus spiele nicht nur in Ostdeutschland eine Rolle. Er sei dort aber möglicherweise häufiger zu finden, weil er der DDR-Moral entsprochen habe.

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