: Slowaken stimmen für die Wende
■ Das Regime von Ministerpräsident Mečiar erleidet bei den Parlamentswahlen eine empfindliche Schlappe, seine Partei bleibt allerdings stärkste Kraft. Oppositionsführer wollen Regierung bilden und verhandeln über eine Koalition
Bratislava (taz) – Das Regime des slowakischen Ministerpräsidenten Vladimir Mečiar ist abgewählt. Bei den Parlamentswahlen vom Freitag und Sonnabend verlor die bisherige Koalition ihre Mehrheit, während die Oppositionsparteien knapp 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnten. Fast sechs Jahre nach der Unabhängigkeit der Slowakei, in denen Mečiar nur mit kurzer Unterbrechung herrschte, ist damit der Weg der Slowakei zu demokratischeren Verhältnissen frei.
Nach dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis vom Sonntag kam Mečiars regierende „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ (HZDS) auf 27,1 Prozent der Stimmen und verlor damit rund acht Prozent. Sie bleibt allerdings mit knappem Vorsprung größte Parlamentspartei. Der größte Oppositionsverband, die „Slowakische Demokratische Koalition“ (SDK), in der fünf Parteien, darunter Christ- und Sozialdemokraten, Mitglied sind, erhielt 26,4 Prozent. Drittstärkste Parlamentspartei wurde mit 14,8 Prozent die exkommunistische „Demokratische Linke“ (SDL), die heute einen sozialdemokratischen Kurs verfolgt. Die „Ungarische Koalitionspartei“ (SMK), die die 600.000 Ungarn in der Slowakei vertritt, erhielt 8,6 Prozent; die „Partei der bürgerlichen Verständigung“ (SOP) des deutschstämmigen Bürgermeisters der ostslowakischen Košice, Rudolf Schuster, kam auf 8,1 Prozent.
Von Mečiars bisherigen Koalitionspartnern schaffte die linksnationalistische „Arbeiterpartei“ den Sprung über die Fünfprozenthürde nicht; die rechtsextreme „Slowakische Nationalpartei“ (SNP) hingegen konnte 9,1 Prozent der Stimmen für sich verbuchen.
Trotz der deutlichen Niederlage will die HZDS nicht aufgeben. Ein Sprecher sagte, Mečiar habe die Wahl gewonnen und werde sich um die Bildung einer Koalition mit den bisherigen Oppositionsparteien bemühen. Potentielle Partner seien neben der Nationalpartei die SDL. Eine Minderheitenregierung hatte Mečiar zuvor ausgeschlossen. Die Opposition lehnt jedoch eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Premierminister kategorisch ab. Bereits gestern nachmittag begann sie Verhandlungen über die Bildung einer gemeinsamen Regierung.
Die Wahlbeteiligung lag bei 84,2 Prozent. Internationale Wahlbeobachter, die vor den Wahlen vor einer möglichen Fälschung der Ergebnisse warnten, haben bisher keine Unregelmäßigkeiten feststellen können. Sie haben bisher aber auch noch keine Stellungnahme dazu abgegeben, ob die Wahlen korrekt verlaufen seien oder nicht. Keno Verseck
Bericht Seite 5, Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen