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Gesellschaftskritisch

■ betr.: „Neben Salz fehlt auch die Suppe“, von Barbara Oertel, taz vom 11. 9. 98, S. 9

Gegenüber Rußland und anderen, ehemals realsozialistischen Ländern – in diesem Falle Weißrußland – übernimmt die einstmals gesellschaftskritische taz mehr und mehr die ideologischen Denkmuster und Propagandaformeln des Neoliberalismus und Antikommunismus.

Unkritisch wird der höchst problematische Reformbegriff der Konservativen, der suggeriert, Kapitalismus und Parlamentarismus seien nicht nur das Ziel der Geschichte, sondern auch das Allheilmittel für alle Probleme dieser Welt, aufgegriffen; und der einstmals so heftig kritisierte IWF wird sogar als Kronzeuge für die Richtigkeit der eigenen Lagebeurteilung angerufen, indem Barbara Oertel schreibt, „noch Ende August hätte der Währungsfonds eindringlich eine Liberalisierung des Wirtschaftssystems angemahnt“. Dabei war noch am 8. 9. 98 sogar in der taz die nachdenkenswerte Meinung des russischen Autors Boris Kargalitzki zu lesen, daß „der gescheiterte russische Transformationsversuch“ zeige: „Wo es keine historisch gewachsene Bourgeoisie gibt, kann nur der Staat Herr über die Wirtschaft sein.“

Darüber hinaus läßt sich auch in der taz noch hin und wieder nachlesen, daß das den „Reformstaaten Osteuropas so heiß empfohlene repräsentativ-kapitalistische „Reform“-Modell bereits so deutlich an seine ökologischen und sozialen Grenzen stößt, daß man darüber nachdenken sollte, ob es sich wirklich zur Nachahmung empfiehlt.

Dorothy J. Rosenberg jedenfalls vertrat in der taz vom 4. 9. 98 die Meinung, daß die neue Machtverteilung zwischen Regierung, Parlament und den Finanzoligarchien für Rußland vielleicht keine optimale Lösung sei, „aber auf jeden Fall besser, als sich in weitere IWF-diktierte Selbstmordversuche zu stürzen“. Ludwig Schörenbach, Bremen

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