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Ein neuer Regierungschef in Albanien

Der Sozialist Pandeli Majko soll den zurückgetretenen Fatos Nano ablösen. Oppositionsführer Sali Berisha fordert eine Regierung der Experten. Die Kosovo-Albaner begrüßen die Entwicklung im Nachbarland  ■ Von Erich Rathfelder

Pandeli Majko heißt der neue Regierungschef in Albanien, der von der Sozialistischen Partei nach dem Rücktritt von Fatos Nano für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert worden ist. Das Parteipräsidium hatte unmittelbar nach dem überraschenden Schritt Nanos den stellvertretenden Parteivorsitzenden Majko als neuen Regierungschef vorgeschlagen.

Nano hatte am Montagabend sein Amt zur Verfügung gestellt, weil es ihm nach den Demonstrationen der Opposition in den letzten Wochen nicht mehr gelungen war, seine aus fünf Parteien bestehende Regierungskoalition zusammenzuhalten. Kurz vor seinem Schritt war auch der Rücktritt von Innenminister Perikli Teta bekannt geworden, der sich mit Nano über dessen Pläne für eine Kabinettsumbildung zerstritten hatte. Er wolle nicht mehr mit einer „korrupten und unfähigen politischen Klasse zusammenarbeiten“, sagte Teta, der ein Mitbegründer des Koalitionspartners „Demokratischen Allianz“ ist.

In einem Brief an Präsident Rexhep Meidani, der im Fernsehen verlesen wurde, übernahm Nano die Verantwortung für das Scheitern der Regierung. Die Demokratische Partei von Sali Berisha als größte Oppositionskraft begrüßte Nanos Rückzug. Das reiche aber nicht aus, um die innenpolitische Krise zu beenden, erklärte ein Parteisprecher am Dienstag.

Im britischen Rundfunksender BBC sagte Opositionsführer und Ex-Präsident Berisha gestern, das Land brauche eine Regierung aus Fachleuten und insbesondere einen Innenminister, der nicht mit Verbrecherbanden und Schmugglern paktiere. Berisha und seine Demokratische Partei hatten nach der Ermordung eines prominenten Parteifreundes Anfang des Monats die Koalition mit bewaffneten, gewalttätigen Demonstrationen massiv unter Druck gesetzt.

Schon lange habe der Konflikt innerhalb der Regierung geschwelt, verlautete aus diplomatischen Quellen in der albanischen Hauptstadt Tirana. Ein wichtiger Grund für den Rücktritt Fato Nanos sei dessen Haltung zum Kosovo-Konflikt. Der in der albanischen Öffentlichkeit diffamierend als „Grieche“ und nicht als „Albaner“ bezeichnete ehemalige Ministerpräsident wurde in letzter Zeit immer mehr einer Milošević- freundlichen Politik verdächtigt. Der weitergehende Vorwurf, im albanischen Staats- und Geheimdienstapparat seien albanisch sprechende Kosovo-Serben tätig, fand neue Nahrung nach der Ermordung von Azem Hajdari, dem Symbol der Demokratischen Partei.

Nach dem Mord an Ahmet Krasniqi in der serbischen Provinz, der dem kosovo-albanischen Widerstand nahestand, forderte die kosovo-albanische Lobby in Albanien Konsequenzen. Ein zerstrittenes Albanien wird von den Kosovo-Albanern als „eine Katastrophe“ bezeichnet. Auch Sali Berisha ist aus der kosovo-albanischen Perspektive nicht unbedingt als ein Alliierter angesehen.

„Kosovo ist ohne Mutter“, ist eine der Standardaussagen von Albanern, die die Zerstrittenheit der albanischen Politikerkaste beklagen. Für „wünschenswert“ hält der ehemalige Premierminister der kosovo-albanischen Gegenregierung, Bujar Bukoshi, deshalb den Rückzug Fato Nanos wie auch Sali Berishas aus dem politischen Geschehen. Die albanische Innenpolitik müsse sich beruhigen und endlich zu einer außenpolitischen Offensive fähig sein.

Hohes Ansehen in allen albanischen Bevölkerungsschichten und auch bei den Kosovaren genießt jedoch weiterhin Staatspräsident Rexhep Meidani, dem jetzt wohl die Schlüsselrolle zur Lösung der innenpolitischen Krise des Landes zukommt.

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