: Koalition will Radio Bremen „köpfen“
■ CDU und SPD fordern eine Ablösung des Sender-Direktoriums / Belegschaft: Das ist ein „beispielloser Eingriff in die Unabhängigkeit des Rundfunks“ / Grüne: „Putsch der Koalition“
Eine Welle des Protestes hat gestern der Radio-Bremen-Coup der Koalitionsspitzen von CDU und SPD ausgelöst. Die Koalitionäre hatten sich am Dienstag abend darauf verständigt, durch einen Passus in der geplanten Novelle des Radio-Bremen-Gesetzes die „Grundlage für eine baldige Stabübergabe in der Leitung der Anstalt zu schaffen“. Die Verträge mit dem vierköpfigen Direktorium sollen demnach mit Inkrafttreten des Gesetzes zum Jahreswechsel enden. Diese indirekte Forderung nach einer Ablösung des Intendanten Karl-Heinz Klostermeier und seiner drei Direktoriumskollegen wurde gestern von Mitarbeitergremien und einzelnen Mitgliedern des Rundfunkrates in scharfer Form kritisiert. Trotzdem stimmten nach den Gremien der CDU-Bürgerschaftsfraktion auch die SPD-Abgeordneten dem Vorschlag der Koalitionsspitzen während einer Fraktionssitzung am späten Nachmittag einstimmig zu.
In einer Resolution im Auftrag der Radio-Bremen-Belegschaft haben der Personalrat und der Redakteursausschuß den Vorschlag als „beispiellosen Eingriff in die Unabhängigkeit des Rundfunks in Deutschland“ bezeichnet. Wie zuvor schon das Direktorium bewerteten die BelegschaftsvertreterInnen das Vorhaben als einen kläglichen Versuch, Personalpolitik per Gesetz zu exekutieren. Die Bündnisgrünen bezeichneten diese „willkürliche Änderung der Amtszeit“ als Putsch der Großen Koalition. Ähnlich äußerten sich Rundfunkräte wie Wilhelm Tacke. Dagegen begrüßte Brigitte Dreyer, für die DAG im Rundfunkrat, die „bevorstehende Ablösung“ Klostermeiers: „Jetzt gibt es die Chance für einen echten Neuanfang.“
Die Diskussion über die Novelle des Radio-Bremen-Gesetzes, mit der die „Position des Intendanten gestärkt werden soll“, dauert schon seit Monaten an. Die überraschende Wende begründete Senatssprecher Klaus Sondergeld auf Anfrage damit, daß sich Klostermeier nicht auf eine einvernehmliche Lösung – sprich: auf eine Auflösung seines Vertrags – einlassen wollte. Mit deutlicheren Worten erklärte CDU-Landeschef Bernd Neumann: „Es wäre ein Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn der alte Intendant das neue Amt wahrnehmen würde.“ Proteste nimmt Neumann durchaus in Kauf: „Dann müssen wir uns eben beschimpfen lassen.“
Einer dieser Vorwürfe lautet, daß die Bremer Koalitionäre mit dem Vorschlag die Staatsferne zum Sender verletzten. So hat der Medienrechtler und Ex-Justitiar des Saarländischen Rundfunks, Dieter Dörr, das Vorhaben als „sehr bedenklich“ bewertet: „Der Gesetzgeber kann nicht einfach in bestehende Verträge eingreifen, und wenn, dann braucht er gewichtige Gründe.“ Der Wunsch nach einer Übergabe der Verantwortung an eine neue Leitungsgeneration reiche dafür jedenfalls nicht aus. Senatssprecher Klaus Sondergeld wies diese Kritik auf Anfrage zurück: Der Vorschlag sei von Juristen geprüft worden, und die Radio-Bremen-Gremien müßten sich auf die neue gesetzliche Situation einstellen.
Nach dem bestehenden Gesetz kann allein der Rundfunkrat einen Abwahlantrag stellen. Ihm müßten 25 der 36 Mitglieder des Gremiums zustimmen. Weil die Verträge von Verwaltungschef Peter Dany und Fernsehdirektor Rüdiger Hoffmann ohnehin zum und kurz nach dem Jahreswechsel auslaufen, wären davon nur Indendant Klostermeier und Hörfunkchef Hermann Vinke bedroht. Doch KennerInnen der Mehrheitsverhältnisse im Gremium sehen für eine Abwahl kaum Chancen. Sollte die Bürgerschaft der Gesetzesnovelle jedoch zustimmen, könnte der Rundfunkrat mit einfacher Mehrheit für oder gegen die Direktoren stimmen. ck
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