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Hoffentlich privatversichert

Profitable Versorgungslücke: Kapitalmarkt startet Werbeoffensive für „Pensionsfonds“ zur Altersvorsorge  ■ Von Heinz-Günter Hollein

„Die Renten sind sicher.“ 16 Jahre zog Norbert Blüm als Arbeits- und Sozialminister mit diesem Slogan durch das Land. Nun hat er ausgesorgt. „Sicher“ heißt – das schreibt die Deutsche Bank in diesen Tagen lapidar ihren Kunden –, daß in Sachen Rente ohne private Vorsorge „künftig keine hinreichende Absicherung“ mehr gewährleistet ist.

Eine zusätzliche private Altersvorsorge ist also ein Muß, und das längst nicht mehr nur für Freiberufler und Selbständige. „Die Gesellschaft insgesamt hat offenbar akzeptiert, daß das derzeitige Rentensystem nicht mehr dauerhaft funktioniert“, schätzt denn auch Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) die Stimmung der BundesbürgerInnen ein. „Versorgungslücke“ lautet die beunruhigende Diagnose, und anders als weiland bei der „Raketenlücke“ ist der Entschluß zur finanziellen Nachrüstung ganz und gar dem Einzelnen überlassen.

„Eine Umstellung der Renten vom derzeitigen Umlage- auf ein kapitalbildendes System“, so Fachmann Kurz, „ist nur schwer möglich, egal wer regiert.“ Heißt: Der Staat ist nicht imstande, während der Übergangszeit eines solchen Systemwechsels einer ganzen Generation die Rente aus der Steuerkasse zu zahlen. Immerhin verabschiedete der Bundestag noch einen Monat vor der Wahl das 3. Finanzmarktförderungsgesetz und eröffnete so dem Kapitalmarkt die Möglichkeit, ein AS aus dem Ärmel zu schütteln. „Altersvorsorge-Sondervermögen“ wurde die neue „Produktlinie“ getauft. Unter dem Kürzel „AS“ bieten ab sofort 35 Investmentgesellschaften nicht weniger als 76 verschiedene sogenannte „Pensionsfonds“ an. Der Unterschied zum üblichen Investment- oder Fonds-Sparen, bei dem ebenfalls in Aktien, Immobilien oder Fremdwährungen spekuliert wird, liegt bisher allerdings nur im Namen und in der Ausrichtung der Fondserträge auf das Rentenalter.

Die Anbieter der AS-Fonds rechnen, so Kurz, „mit der Bereitschaft auch gering Verdienender zum Konsumverzicht zugunsten der Altersvorsorge“. Nicht zuletzt „will man damit natürlich auch in den Revieren der Lebens- und privaten Altersversicherer wildern“. Dementsprechend fordert die Pensionsfonds-Lobby denn auch bereits die steuerliche Anerkennung der Fondsbeiträge als Vorsorgeaufwendung. Die nämlich ist bisher den klassischen Lebensversicherungen vorbehalten, deren Vertreiber darum auch prompt gegen die neue Konkurrenz fondsgebundene Kapitallebensversicherungen ins Feld führen. Deren Raten sind zwar auch nicht von der Einkommenssteuer absetzbar, dafür dürfen ihre – gegenüber normalen Lebensversicherungen – höheren Erträge nach zwölf Jahren Laufzeit ohne Steuerabzug kassiert werden.

Dem Versicherungswilligen, so er oder sie denn einen Betrag ab 100 Mark im Monat erübrigen kann, soll's recht sein. Ob's auch billig ist, sollte angesichts der Variantenvielfalt der neuen „Pensionsfonds“ an ein paar Details abgefragt werden. Die Hamburger Verbraucherzentrale etwa nennt in ihren Leitfäden als Kernpunkte: Gibt es im Bedarfsfall die Möglichkeit einer vorgezogenen Teilauszahlung? Können die Zahlungen bei Arbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ausgesetzt werden? Wie hoch sind die „Bearbeitungskosten“ oder sogenannte „Ausgabeaufschläge“? Sind Sondereinzahlungen oder eine Erhöhung der Raten möglich? Wieviel Geld erwartet den Anleger besten- oder schlechtestenfalls? Kann ich die Ansprüche Partnern oder Angehörigen übertragen oder vermachen?

Wer will, kann aber auch darauf warten, daß sich die Prophezeiung pessimistischer Rentenprognostiker erfüllt und der Zwangsbeitrag für die Rentenversicherung auf über 50 Prozent vom Bruttoeinkommen steigt. „So in 30, 40 Jahren“, meint Jürgen Kurz launig, „ist dann der Tatbestand der Enteignung erfüllt.“ Und dafür kann man den Staat verklagen.

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