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Gemeinsam Steinkohle und Kumpel abbauen

■ Die Steinkohle-Konzerne arbeiten seit gestern in der Deutschen Steinkohle AG zusammen. Die Kohleförderung soll dadurch wettbewerbsfähig werden und 48.000 Stellen verschwinden

Berlin (taz) – Neue Klagen in Brüssel? Davon wisse man nichts, vielleicht aber die Konzernmutter in Essen? Doch die frühere Ruhrkohle AG, heute RAG, verweist die Frage umgehend zurück an die Deutsche Steinkohle AG (DSK) in Herne, wo man in der Pressestelle inzwischen nicht schlauer geworden ist. So richtig klappt es in der neuen Dachgesellschaft aller deutschen Steinkohleförderer, die gestern ihre Arbeit aufgenommen hat, noch nicht mit der Effizienz, die der eigentliche Zweck des Zusammenschlusses ist. Aber sie ist auch noch nicht komplett: Erst wenn nach der Saarbergwerke AG spätestens im Mai 1999 auch die Preussag Anthrazit GmbH Ibbenbüren in der DSK aufgeht, ist dieser Teil des Umbaus in der krisengeschüttelten Branche vollzogen.

Die Gründung der DSK gehört zu den Vereinbarungen des 70 Milliarden Mark teuren Kohlekompromisses vom März 1997. Damals hatte sich die Bundesregierung mit den Unternehmen und der Bergbau-Gewerkschaft nach tagelangen Protesten der Bergleute darauf geeinigt, den Abbau der Kohlebeihilfen zeitlich zu strecken. Bis 2005 werden die jährlichen Subventionen von derzeit 9 Milliarden auf etwa 5,5 Milliarden Mark reduziert. Gleichzeitig sollen rund 48.000 der jetzt noch beinahe 84.000 Arbeitsplätze im Bergbau „geordnet abgebaut“ und die Steinkohleförderung von knapp 48 auf 30 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt werden. Und das, so die Idee damals, läßt sich am besten in einem gemeinsamen Unternehmen durchziehen.

Laut DSK-Aufsichtsratsvorsitzendem Gerhard Neipp, der zugleich RAG-Chef ist, ist das Ziel der DSK, „die Wirtschaftlichkeit des Bergbaus, jetzt unter dem Dach der RAG gebündelt, zu steigern“. Neipp und sein Vorstandsvorsitzender und RAG-Vize Wilhelm Beermann streben einen Produktivitätszuwachs von jährlich 4 Prozent an. Schon in den kommenden drei Jahren wollen sie 15 Prozent der Bergbaukosten einsparen. Schließlich sei schon genug Zeit versäumt worden.

Der Start der DSK hatte sich über Monate hinweg verzögert, weil die EU-Wettbewerbskommission die Genehmigung für die RAG, die Saarbergwerke und Preussag Anthrazit zu übernehmen, von der Entscheidung über Klagen britischer Bergbaugesellschaften abhängig gemacht hatte. Diese hatten die Preussag Anthrazit und die inzwischen stillgelegte RAG-Zeche Sophia Jacoba bezichtigt, 100.000 Tonnen Anthrazitkohle nach Großbritannien geliefert zu haben, die mit zweckentfremdeten Fördergeldern für Kessel- und Kokskohle quersubventioniert worden seien. Sie forderten die Rückzahlung der Kohlebeihilfen für die beiden Jahre – 177 Millionen Mark. Die EU-Kommission entschied im Juli, es könnten nur 20 Millionen Mark fehlgeleitet worden sein, die jedoch umgehend wieder abgeliefert werden müßten, und genehmigten die Fusion.

Wie sich der Anpassungsprozeß in der Steinkohle nun mit der DSK, die mit 13 Milliarden Mark Umsatz und rund 70.000 Beschäftigten größte Konzernsparte der RAG wird, entwickelt, ist noch nicht klar. Und auch nicht, wie der Abbau der 44.000 Arbeitsplätze sich, wie versprochen, ohne Massenentlassungen umsetzen läßt. Bislang wurden die Kumpel entweder umgeschult und in andere Konzernbereiche übernommen oder frühzeitig in Ruhestand geschickt, der für Bergleute bereits mit knapp über 50 Jahren beginnen kann. Aber nachdem seit 1957 schon eine halbe Million Stellen verschwanden, hat sich das überholt – das Durchschnittsalter der Bergleute liegt bei etwa 36 Jahren. Um alle umgeschulten Kumpel im Konzern unterzubringen, reichen die in anderen Sparten neu entstehenden Stellen nicht. Beate Willms

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