Ein erster Schritt aus reichem Elend...

■ betr.: „Armes, reiches Deutsch land“, taz vom 18. 9. 98

In der öffentlichen Debatte steht die Unschärfe im Begrifflichen zum Thema Armut für eine Unklarheit bei den Zielvorstellungen ...

Wenn Armut bedeutet, wenig zu besitzen (stutzig macht, daß Armut als Haltung, als die Fähigkeit auf Besitz zu verzichten, von vielen Religionen und Philosophien – und auch von Ihnen am Schluß des Artikels – gefordert wird), dann heißt Not in diesem Zusammenhang, zu wenig zu besitzen – zu wenig, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Elend ist demnach ein Zustand ständigen Mangels, der es einem Menschen unmöglich macht, ein freies, gesundes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Wie Sie am Beispiel des prügelnden Nachbarn zeigen, muß das kein Mangel an Geld sein.

In so ziemlich allen gesellschaftlichen Bereichen krankt die Diskussion daran, daß wir nicht wissen, was wir eigentlich wollen – Wohlstand oder Wohlergehen – und ist das nicht sowieso dasselbe? – und sich daher die Idee, Freizügigkeit müsse nicht an Besitz gebunden sein, allmählich aus dem öffentlichen Bewußtsein verabschiedet. [...]

Der erste Schritt aus unserem reichen Elend – bedingt durch die Armut an Ideen, an tragfähigen Gedanken, an gelebter Kultur, an Beziehungen, an individuellem Mut – wird sein, daß wir aufhören, bürokratischen Strukturen zuzutrauen, sie könnten sich dazu Lösungen ausdenken, Ideen entwickeln. Dazu sind sie von Natur aus nicht in der Lage. Christian Kirchhof, 775 Mark

netto und Miete von den Eltern