: Brüssel verteidigt Österreichs Verkaufsregale
■ EU-Kommission meldet Bedenken gegen die Übernahme der Meinl-Märkte durch den Kölner Rewe-Konzern an. Deutsche Firmen beherrschen jetzt schon den Lebensmittelmarkt
Wien (taz) – Prosciutto San Daniele, 12 Monate luftgetrocknet, Gorgonzola Dolcelatte, Champagne Veuve Clicquot: Wer bei Julius Meinl einkauft, weiß, daß das Besondere zum Standardsortiment gehört. Dafür sind die Kunden bereit, gute 15 Prozent mehr auf den Kassentisch zu legen. In das gediegene Image paßt auch die Garantie, daß keine genmanipulierten Nahrungsmittel in die Regale kommen. Das Logo des stupsnäsigen Mohrenkopfes mit dem roten Fez auf gelbem Grund gibt es seit der Zeit, als sich die besseren Lebensmittelgeschäfte noch Kolonialwarenhandlungen nannten. Jetzt könnte es aus dem Straßenbild verschwinden – wenn sich der Kölner Rewe-Konzern durchsetzt. Dieser hatte die 288 Meinl-Supermärkte Ende Juli in einem geheimen Deal aufgekauft. Die 5.000 Angestellten der Filialen erfuhren von der Transaktion aus den Medien. „Der Betriebsrat wurde nicht rechtzeitig informiert und belogen“, wetterte Karl Dürtscher, Sekretär der Gewerkschaft für Privatangestellte.
Auch die EU-Wettbewerbskommission hat nun Vorbehalte angemeldet. Sie befürchtet eine unzulässige Konzentration des Lebensmittelhandels sowie eine zu starke Einkaufsmacht der Rewe- Gruppe in Österreich. „Wir werden eine eingehende Überprüfung des Zusammenschlusses einleiten“, ließ Wettbewerbskommissar Karel van Miert in der vergangenen Woche mitteilen.
Der Rewe-Konzern, der die Merkur-Läden betreibt, hatte vor zwei Jahren auch den Marktführer Billa erworben. Damit hielt Rewe bereits 32,5 Prozent auf dem österreichischen Lebensmittelmarkt. Mit den 6,9 Prozent von Meinl kommt der Konzern landesweit auf mehr als 40 Prozent, in der Region Wien gar auf rund zwei Drittel. Allerdings hat er jetzt angekündigt, den Marktanteil im Osten Österreichs auf unter 50 Prozent zu senken. Binnen zwei Jahren werde ein Teil von Meinl wieder abgestoßen, erklärte der Vorstandsvorsitzende Hans Reischl. Außerdem wolle er die Aufträge für österreichische Lieferanten erhöhen.
In Österreich ist man solchen Ankündigungen gegenüber vorsichtig. Immerhin hat Rewe vermutlich knapp vier Milliarden Schilling, also rund 550 Millionen Mark auf den Tisch gelegt. Und das ist eine stattliche Summe, wenn man bedenkt, daß die Meinl-Supermärkte seit Jahren rote Zahlen schreiben und der Käufer nur die Geschäftslokale, nicht aber den traditionsreichen Firmennamen erworben hat. Meinl-Laden wird es künftig nur einen geben: das Feinschmeckergeschäft am Graben in der Wiener Innenstadt. Es wurde vor einigen Wochen aus dem Unternehmen ausgegliedert und soll zu einem Gourmet-Tempel aufgerüstet werden.
Das Arbeitsplatzargument, mit dem in Österreich alles und jedes gerechtfertigt wird, soll in den Verhandlungen keine Rolle gespielt haben. Deshalb fürchten die Gewerkschafter jetzt, daß aus den privilegierten Meinl-Stellen McJobs werden könnten. Einen Vorgeschmack auf ihre Geschäftsmethoden haben die Rewe-Bosse bereits geliefert, als sie drohten, sie würden weniger österreichische Produkte nach Deutschland holen, falls sie den Zuschlag für Meinl nicht bekämen.
Sollte die EU-Kommission der Übernahme doch noch zustimmen, würden nur noch Spar mit einem Marktanteil von 27,2 Prozent sowie ein paar regionale Supermärkte dem deutschen Handelsimperialismus trotzen. Bei Adeg (12,2 Prozent) soll sich die deutsche Edeka eingekauft haben. Hinter dem Discounter Hofer (rund elf Prozent) verbirgt sich Aldi.
Um die Familie Meinl muß man sich allerdings keine Sorgen machen. Julius V., der neben seinem Vater, Julius Meinl IV., das Imperium leitet, hat die Meinl Bank AG zu einem höchst profitablen Finanzinstitut ausgebaut. Es widmet sich vor allem der Vermögensverwaltung und der Beratung bei Unternehmensverkäufen. Letztes Jahr eröffnete er auf der Karibikinsel Antigua eine Zweigstelle. Der Industriebereich, aus dem vor allem die Kaffeerösterei und die Marmeladeherstellung bekannt sind, warf 1997 immerhin mehr als zwölf Millionen Mark ab. Und auch der Lebensmittelhandel in Osteuropa, wo Meinl früher als die meisten Konkurrenten Filialen eröffnete, hat noch enormes Wachstumspotential. Dazu kommen Liegenschaften im Wert von über 300 Millionen Mark und Joint-ventures im ehemaligen Osteuropa. Ralf Leonhard
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