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Gerry Adams als Postbote

Nach dem Waffenstillstand der ETA erklärt sich der Vorsitzende von Sinn Féin bei einem Besuch im Baskenland bereit, Clinton einen Brief zu übergeben  ■ Aus Bilbao Reiner Wandler

Der baskische Friedensprozeß hat einen Botschafter. Der Vorsitzende der nordirischen Sinn Féin, Gerry Adams, nahm gestern auf einem Blitzbesuch in Bilbao aus den Händen Vertreter verschiedener baskischer Parteien und Gewerkschaften einen Brief entgegen, um ihn noch diese Woche US- Präsident Bill Clinton zu übergeben.

Neben einer kurzen Beschreibung der aktuellen politischen Situation in der nordspanischen Krisenregion enthält das Schreiben eine Kopie der „Erklärung von Lizarra“, dem Dokument, das den Waffenstillstand der Separatistenorganisation ETA vorbereitete (siehe Text auf dieser Seite). „Wir wollen, daß Bill Clinton aus allererster Hand erfährt, was hier geschieht“, erklärt Arnaldo Otegi, Sprecher der ETA-nahen Herri Batasuna (HB), die Adams nach Bilbao eingeladen hat, die Initiative.

„Unsere Erfahrung zeigt, daß eine Reihe von Elementen absolut notwendig sind, um einem Friedensprozeß zum Durchbruch zu verhelfen“, sagt Gerry Adams. Ohne „Patentrezepte geben zu wollen“, empfiehlt er „einen Gesprächsprozeß, der niemanden ausschließt und kein Thema ausläßt“. Es dürfe erst dann zu Vereinbarungen kommen, „wenn alles beschlußreif ist“.

Ein solcher Dialog müsse „zügig und entschlossen“ angepackt werden, mahnt Adams die spanische Regierung von José Maria Aznar, die bis heute, zweieinhalb Wochen nach Bekanntgabe der Waffenruhe, keinerlei Schritte zur Stabilisierung der neuen Situation unternommen hat. „Es darf auf gar keinen Fall ein Vakuum entstehen“, denn sonst könnte das gleiche passieren wie in Irland, „wo der Dialog sich immer mehr in die Länge zog, wie ein Gummiband, das irgendwann riß“ und die IRA mit einer Bombe in der Innenstadt von London vorübergehend den bewaffneten Kampf wiederaufnahm.

Adams hat auch Vorstellungen, wie der erste konkrete „rein humanitäre Schritt“ seitens Madrid aussehen könnte. „Die Gefangenen müssen alle ins Baskenland verlegt werden, damit die Familien zumindest ungehindert die Ihren besuchen können.“

Demonstrativ besuchte der Sinn-Féin-Chef einen seiner „engsten Freunde im Baskenland“, das ehemalige Mitglied des HB-Vorstandes Karmelo Landa, im Gefängnis von Basauri. Zusammen mit 22 weiteren ehemaligen Vorstandsmitgliedern wurde Landa im Dezember zu einer siebenjährige Haftstrafe wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ verurteilt, nachdem Linksnationalisten ein Video verbreiten ließen, in dem ETA genau ein solches Verhandlungsszenario anbot, wie es heute von den Unterzeichnern der Erklärung von Lizarra eingefordert wird.

„Eine Dialoglösung ist nach Jahrzehnten von Toten und Verletzten nicht leicht“ weiß der Sinn- Féin-Vorsitzende aus eigener Erfahrung zu berichten. „Denn den Frieden anzustreben heißt auch, mit den ehemaligen Gegnern zu reden und Beziehungen aufzubauen.“

Internationale Hilfe könne dabei durchaus behilflich sein, „allerdings ohne sich ungefragt einzumischen“, begründet Adams, warum er eingewilligt hat, mit US-Präsident Clinton über das Baskenland zu reden.

„Auch wir in Nordirland sind noch weit vom endgültigen Frieden entfernt“, warnte Adams vor einer zu euphorischen Sicht der Lage in Nordirland, „aber es werden zumindest keine Menschen mehr getötet. Und allein dies hat das Leben wesentlich angenehmer gemacht.“

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