: Design als Erinnerung
Selten begegnet man einer so umfassenden, spartenübergreifenden Arbeit wie bei dem Hamburger Designer Torsten Neeland. Sparsam und minimalistisch ■ Von Wolfgang Höhl
Ruhige Kulissen mit Objekten, Interior Designs und Ausstellungsgestaltungen – der Hamburger Designer Torsten Neeland setzt den schnellen Bildern unserer kurzlebigen Zeit seine eigene Ausdrucksweise entgegen.
Da ist die Stehleuchte „Jeremy“, die Tischlampe „Cut“ für Anta, da sind Entwürfe für Eßbesteck und Küchengerät für Wilkens und Authentics oder die Kleiderbügel für Anthologie Quartett und Authentics. Neben diesem klaren Objektdesign entstanden in schneller Folge seit 1988 Geschäftsräume für verschiedene Modefirmen.
Selten begegnet man einer so umfassenden, spartenübergreifenden Arbeit in den verschiedenen Bereichen des Designs, vom reinen Produktdesign über das Interior Design bis zur Ausstellungsgestaltung. Dabei interessiert den 35jährigen Neeland weniger das schnellebige No-name-Produkt aus minderwertigem Material als das dauerhafte, eher zeitlose Gebrauchsobjekt.
Spannend und überraschend entwickelt er aus simplen Geometrien falt- und klappbare Objekte, wie das für Rosenthal entworfene Home Office Furniture, ein platzsparendes, zusammenklappbares Möbelstück für die computergestützte Heimarbeit.
Auf der anderen Seite findet man seine ruhigen, fast besinnlich anmutenden Lichtkonzepte als Passepartout der eigenen Privatsphäre.In Zusammenarbeit mit „Reim Interline“ entstand 1988 ein Eßzimmertisch.
Neelands strenge Möbelentwürfe erinnern an die Stücke Josef Hoffmanns oder die stringente Linie der Arbeiten des Florenzer „Superstudio“ der sechziger Jahre. Displays, Ausstellungssysteme und die Konzeption von Ausstellungsgestaltungen wie der Ausstellung „Punch in out“, die 1997 in Hamburg stattfand, runden das Spektrum der Tätigkeit Torsten Neelands ab.
Im Gegensatz zu den Entwürfen seiner Kollegen Luigi Colani oder Philippe Starck erscheinen Neelands Arbeiten in harten, fast spartanischen Geometrien. Seine beliebtesten Gestaltungselemente sind der Kubus und das Prisma mit rechteckigem oder quadratischem Querschnitt wie zum Beispiel die Grundform seines Home Office Furniture.
Gestaltbildend bei seinen Tischen und Stühlen sind die rechtwinkelige Scheibe, das Kantholz mit rechteckigem Querschnitt und die rechteckige Platte. In seinen letzten Entwürfen erscheinen diese Gestaltungselemente oft verformt, gebogen oder mit Grifflöchern und Aussparungen versehen.
In seinem Entwurf zu seinem Präsentationstresen Trendshow „Praktisch“ verformt Neeland eine Scheibe mit einem liegenden Prisma zu einem zylindrischen Ringsegment mit einer höheren Randbegrenzung. Beim Stuhl „Richard“ erkennt man eine gebogene Sitzschale und Grifflöcher in den scheibenförmigen Armlehnen.
Die Räume seines Interior Designs erscheinen sparsam und nüchtern, die raumbegrenzenden Flächen sind einfach definiert und klar vor dem Hintergrund der Möblierung erkennbar. Die Gegenstände des täglichen Gebrauchs werden, wo es möglich ist, in Schränken verstaut und so dem Blick entzogen. Schubladen und Schranktüren lassen sich über Griffmulden oder per Druckknopf öffnen. Beschläge bleiben unsichtbar. Sitzbänke, Verkaufstresen und Regale werden bei seinen Ladenentwürfen vollkommen in das geometrische Konzept integriert.
Helles Holz, Edelstahl, Aluminium und textile Elemente sind die tragenden Materialien seiner Innenraumgestaltungen. Die Materialfarben sind gedeckt und zurückgenommen. Starke Hell-Dunkel- Kontraste werden bewußt sparsam, als räumliche Akzente eingesetzt. Mit Vorliebe verwendet der Designer in seinen Entwürfen oft lichtdurchlässige Materialien.
Eine durchsichtige Kunststoffolie dient als Raumbegrenzung bei der Gestaltung der Ausstellungsrume zu „Punch in out“, vor die bewegte Fensterfront eines Entwurfes zu einem Arbeitszimmer stellt Neeland transluzente Schiebeelemente aus Kunststoff. Kleiderbügel und Küchengerät für Authentics sind aus dem transluzenten Polypropylen gefertigt.
Derzeit arbeitet Neeland an einem Waschbeutel für Authentics aus durchsichtigem Polyethylen. Das Tageslicht wird in seinen Projekten oft diffus gefiltert, Kunstlicht setzt er indirekt ein. Im Gegensatz zur sparsamen Eigenfarbe der Objekte arbeitet Torsten Neeland gerne mit farbigen Leuchtstoffröhren.
Neelands Design erinnert an die Objekte der Minimalisten. In ihren Installationen beschäftigen sich diese Künstler mit der Darstellung von Phänomenen der menschlichen Wahrnehmung, mit dem Verhältnis von Objekt und Umraum. In seinen Entwürfen übernimmt Torsten Neeland zwar eine ähnliche, sparsame formale Gestaltung, aber man vermißt das feinsinnige Spiel, die Darstellung räumlicher Qualitäten, das strenge künstlerische Konzept.
Als Impulsgeber der geometrischen Abstraktion kann man auch die gegenstandslosen, abstrakten Kompositionen der Konstruktivisten und Suprematisten, die klaren Formen des „Neuen Bauens“ am Anfang unseres Jahrhunderts beschreiben. Die reduzierte Form, frei von jeglicher Bedeutung, galt als Basis für den Start in eine ungewisse, aber erfolgversprechende Zukunft. Ausgehend vom marktwirtschaftlichen Prinzip der Wiedererkennbarkeit und der Unterscheidbarkeit von Designprodukten entsteht daraus heute ein „funktionaler Stil“, mit dem gleichen Formenvokabular, befreit von den ursprünglichen Gedanken und Ideen der modernen Avantgarde.
Dabei fragt man sich, auf welchen Gebieten heute die Probleme und Lösungen modernen Designs liegen. Der Gedanke an funktionale Optimierung ist schon fast veraltet. Ein zeitgemäßes Problem scheint das Verlangen nach Bildern und Symbolen einer Scheinwelt zu sein, eine Erinnerung an eine Welt mit einer besseren Zukunft, als man sie heute vorfindet.
Sinnvoller erscheint folgende Lösung: die heutigen Probleme klarer zu erkennen und zu bewerten und mit zukunftsorientiertem Design eine bessere Zukunft zu gestalten.
Der Autor ist Architekt in Hamburg
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