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Auch der Verlierer will nach Bonn

■ Der „junge Wilde“ Christian Wulff klettert seit Schülerzeiten brav die Karriereleiter der Union hinauf. Von Hannover als CDU-Vize nach Bonn?

Hannover (taz) – Zweimal hat er in Niedersachsen gegen Gerhard Schröder haushoch verloren. Dennoch, nach der CDU-Präsidiumssitzung am Dienstag abend im Bonner Kanzleramt scheint festzustehen: Christian Wulff, gemeinhin als einer der „jungen Wilden“ in der CDU etikettiert, soll einer der Stellvertreter des künftigen CDU- Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble werden. In Wahrheit ist der 39jährige niedersächsische CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende allerdings längst ein alter Hase in seiner Partei.

1978 saß der damals 18jährige Wulff als Bundessprecher der Schüler-Union mit am Vorstandstisch der Bundes-CDU. Bis 1983 gehört er dann dem Bundesvorstand der Jungen Union an, seit 1984 dem Landesvorstand seiner Partei. Der „Bill Clinton aus Osnabrück“ wurde inszeniert, als er 1994 zum ersten Mal in Niedersachsen gegen Schröder antrat.

„Wulff bringt schon Erfahrung in der Auseinandersetzung mit Gerhard Schröder mit“ – lautet trotz der beiden schmerzhaften Niederlagen in Niedersachsen eines der zentralen Argumente, mit dem der CDU-Landesverband jetzt seinen Chef für den stellvertretenden Bundesvorsitz empfiehlt. Der durchsetzungsfähige Wulff hatte schon im Vorfeld der Bonner Präsidiumssitzung konsequent seine Truppen für den Sprung in die Spitze der Bundespartei gesammelt. Zuletzt hatten am vergangenen Freitag die Landes- und Fraktionsvorsitzenden der vier CDU-Nordverbände Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen einmütig eine Kandidatur für den stellvertretenden Bundesvorsitz unterstützt. Lediglich begrüßt wurde bei dem Treffen die Absicht, „Volker Rühe in die Führung der CDU in herausragender Position einzubinden“.

Christian Wulff hat schon vor Jahren Koalitionen zwischen CDU und Grünen nicht ausgeschlossen – auf lange Sicht. Frühzeitig hat er sich auch gegen den CDU-Trend einer „ökologischen und sozialen Marktwirtschaft“ verschrieben. Die Betonung lag dabei aber stets auf dem Markt. Vor der verlorenen Niedersachsenwahl im März dieses Jahres kämpfte er mit neoliberalen Argumenten um Wählerstimmen: Subventionen kürzen, Steuersätze drastisch senken, staatliche Aufgaben straffen, privatisieren. Das waren „die unpopulären Dinge, für die die Kinder dankbar sein werden“ (Wulff). Als er die Chance einer radikalen Senkung des Spitzensteuersatzes schwinden sah, legte er sich sogar öffentlich mit Kohl an. Wenn der Kandidat für die CDU-Spitze sich jetzt öffentlich um das Verhältnis der CDU zu den Gewerkschaften Sorgen macht, ist das die Eigenwerbung eines Neoliberalen beim CDU-Arbeitnehmerflügel – um Stimmen zu fischen. Jürgen Voges

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