Henning Harnisch: Schütteln und Backen
■ "Eine SZ bitte, Herr Schwarzenbeck"
Strauss und Schröder klingt wie der Name einer Werbeagentur. Weit gefehlt, aber die Herren Matthias Strauss und Burkhard Schröder, Zahnarzt und Lehrer von Beruf, sind ganz nebenbei Basketballexperten. Weisheit und Erfahrung, hier das Resultat von vielen gespielten und gesehenen Basketballspielen, autorisieren die beiden Alt-Internationalen, nach Europaligaspielen von Alba Berlin in der Kneipe unaufgeregt über Spiel und Spieler zu dozieren. Da wird nicht Wichtigtuer gespielt, sondern gesammeltes Wissen in kleinster Runde, quasi privat, eingestreut.
Ist der Ex-Sportler aber ein Ex-Fußballer, und sei es der abgezockteste Profi, steht er ohne Trainer und Betreuer nach dem meist unfreiwilligen Ende seiner Sportlerkarriere ziemlich orientierungslos da. Wenn er sein präfixes „Ex“ nicht als eine Bieraufeßaufforderung versteht, lungert er in den Stadien dieser Welt herum, geht zweifelhafte Partnerschaften (Bauherrenmodelle!) ein, reiht sich in Trainerkarusselle ein und vertickt Versicherungen oder Sportschuhe. Oder besticht als hauptamtlicher Experte.
Natürlich ist das Privatfernsehen schuld, wenn aus Fällen für das Finanzamt, die Kriminalpolizei oder die Kneipe seit dem Jahre RTL aus dem „Ex“ ein „Ko“ wird, und der Auskenner seine Stammelattacken einer größeren Öffentlichkeit unterbreiten darf (dürfen darf nur Netzer!). Lernen muß nun auch der Basketballer, jüngstes Mitglied der „Ich war mal Profi“-Familie, vor allen Dingen von den Fußballspielern, denn die sind am längsten dabei.
Zwar ist auch der Basketballer daran gewöhnt, seiner Tätigkeit im Kollektiv nachzugehen, konnte aber, anders als der Fußballer, bis vor ein paar Jahren das Wort Kollektiv manchmal sogar theoretisch erklären und wurde nicht als „Ex“ ins wahre Leben entlassen. Individualsportler werden gar nicht entlassen, als Prototpyen des Unternehmers sind sie das außersportliche Rempeln schon während ihrer Karriere gewöhnt, sollen sich nach dem Ende ihrer Sportlerkarriere bei der FDP melden und werden in diesem Text deshalb ignoriert. Wenn man außerdem die sympathische „Schlägerliga“ Eishockey und die nach Turnhallenschweiß und Lemgo riechende Sportart Handball bewußt vernachlässigt, bleibt auf dem Mannschaftssektor, nachdem die Volleyballer an den Strand gezogen sind, nur noch der vermeintlich hippe, HipHop-kompatible Basketball.
Zieht man Spike Lee, New York, Nike, „His Airness“ Michael Jordan usw. ab, dann sollte man sich fragen, ob Hip nicht doch eher für Babynahrung als für Cheerleader aus Oberelchingen steht. Da Basketball- Deutschland zur fernsehfreien Zone erklärt worden ist, sind Gedanken über eine etwaige Zukunft auf dem Bildschirm ohnehin für die erste Generation bundesdeutscher Ex-Basketballprofis überflüssig. Also: Anstatt dem Fußballer-Blues („Was macht eigentlich Axel Kruse?“) zu lauschen, doch bitte schön viel Hank Williams auflegen. Ansonsten höre man den Herren Strauss und Schröder zu. Reicht einem das nicht, fahre man gefälligst nach München, gehe in die Ohlmüllerstraße und kaufe sich im Zeitungsladen von Georg „Katsche“ Schwarzenbeck eine SZ. Der Mann, kürzlich 50 Jahre alt geworden, Fußballweltmeister von 1974, ist Fußballexperte und hat, im Gegensatz zu seinen Ex- Kollegen Beckenbauer, Breitner und Co., eines ganz bestimmt: Aura.
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