: Der Wechsel als dauerhaftes Prinzip
■ Die Punk-Konzertveranstalter Change feiern 20 Jahre erfolgreiches Organisieren / Fete heute im Wehrschloß
Was haben die Bands Sonic Youth, Slime, Die Toten Hosen, Sisters Of Mercy, New Modell Army, Black Flag, Chumbawamba, Fugazi und Big Black gemeinsam? Musikalisch nicht viel, aber sie alle gehören zu der denkwürdigen Reihe von Konzerten, die Bremens dienstälteste unkommerzielle Veranstaltergruppe Change in den 20 Jahren ihres Bestehens auf die Bühne brachte. Seit zwei Dekaden fühlen sich die ständig wechselnden Mitglieder des Kollektivs der alternativen Kultur verpflichtet – ein Jubiläum, das Change an diesem Wochenende feiert.
Ins Leben gerufen wurde das Konzertveranstalter-Kollektiv irgendwann um den Jahreswechsel 1977/78 von Punks und Wavern, die sich auf der Suche nach eigenen Proberäumen zusammengetan hatten und in irgend welchen Klitschen Parties mit Live-Musik klar machten. Im Mai 1979 organisierte die Gruppe das erste Punk-Konzert im Schlachthof. Während aber die Bands – Blender, die Headbangers und Vierviertel – fast vergessen sind, hat die Verbindung von Change und Schlachthof bis heute Spuren hinterlassen. Schon bei der Schlachthofbesetzung 1980 trug Change das Gros des selbstredend Punk-lastigen Beiprogramms, und bis heute ist der Schlachthof der Stammladen für die Veranstaltungen des Kollektivs geblieben. „Das hing immer etwas von den Leuten und den Umständen ab, es gibt auch mal Change-Konzerte im Wehrschloß. Aber der Magazinkeller und Change sind eigentlich untrennbar,“ sagt Pinocchio, der seit 1982 zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern im Kollektiv gehört. Einzig der Schlachthof-Umbau bewirkte, daß dieses Jubiläum im Wehrschloß und nicht in der Schlachthof-Kesselhalle gefeiert wird.
Geändert hat sich bei Change personell in dieser Zeit eine Menge. „Es gibt immer wieder neue Generationen. Alte steigen aus, machen was anderes, und andere Leute wachsen nach,“ sagt Pinocchio. Einige aus dem guten Dutzend der Change-Aktiven sind in den Dreißigern, der letzte Neuzugang Mike dagegen ist gerade mal 16. Die Sinnfrage nach zwei Dekaden Punk stellt sich aber zur Zeit für keinen der Aktiven. „Bis vor vier Jahren gab es so ein Loch. Da kam nichts nach,“ sagt Change-Aktivistin Edith. „Aber seitdem gibt es wieder tierisch viele junge Leute, die zu unseren Konzerten kommen. Das macht natürlich Laune.“
Außerdem gefällt Edith und Pinocchio die Möglichkeit, über die Konzertgruppe mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. „Sin Dios aus Spanien waren vor kurzem hier. Das war natürlich spannend, mit denen zu quatschen, was in Madrid so abgeht,“ sagt Pinocchio. Besonders spannend sind die Abende, wenn Bands eingeladen sind, die die Change-Crew ohnehin schon lange wegen ihrer Schallplatten verehrt – auch wenn manche persönliche Begegnung mit den Plattenhelden ernüchternd verläuft. Das sind, so Pinocchio, neben dem nervigen Fegen und Aufräumen nach den Konzerten die bittersten Momente für die Veranstalter. „Das Schlimmste waren The Damned“, sagt Pinocchio. „Das waren richtig geldgierige Arschlöcher, und ich hatte deren Platten so geliebt. Aber da kannte ich sie ja noch nicht.“
Geld bekommt keiner der Change-Mitarbeiter für die Schichten am Tresen, als Türsteher oder beim Aufräumen. Selbstorganisation ist einer der Grundsätze des Kollektivs geblieben, der Non-Profit-Gedanke der zweite – auch wenn einer der Ur-Change-Aktiven, der Veranstalter Jens Koopmann, heute mit KPS die Nummer Eins für Großveranstaltungen in der Hansestadt ist und vermutlich an einem Abend mehr Umsatz macht als Change im ganzen Jahr. Aber Konzerte so billig wie möglich zu machen, ist für Change noch immer Ehrensache. „Die Kohle, die wir bei den großen Konzerten machen, nutzen wir, um die kleinen Kellerkonzerte mitzufinanzieren. Die tragen sich nämlich selten,“ erklärt Edith die Mischkalkulation des Kollektivs. Geld von der Stadt gab es nie für das Projekt.
Und noch etwas hat sich in all den Jahren nicht geändert: Daß Change eine Truppe ist, die so lange debattiert und klönt, bis man auf einen Nenner kommt. Punk ist für sie mehr als ein Musikstil. Bei besonders dämlichen oder frauenfeindlichen Texten hat auch die musikalisch großartigste Band keine Chance auf eine Change-Auftritt. „Ich finde das imer noch wichtig, auf die Inhalte zu achten,“ sagt Edith. „Da singt dann vielleicht zum vierzigsten Mal einer 'Gegen Nazis', aber das ist doch auch nach wie vor aktuell. Außerdem habe ich keine Lust, für irgendwelche Arschlöcher Konzerte zu machen.“ Stilistisch aber ist die Gruppe für so ziemlich alles offen. „Manche haben tierisch Bock, No Means No zu machen, und andere wieder haben keinen Bock auf diese 'Studentenmusik',“ sagt Pinocchio. „Die leiern dann lieber die klassischen Punkkonzerte im Keller an. Wichtig ist, daß wir diese Offenheit haben.“
Neben dem strikten Hundeverbot unterscheidet Change vor allem das von anderen Konzertveranstaltern aus dem Punk-Bereich. Im Gegensatz zu den frühen 80er Jahren, wo Change mangels anderer Aktiver lange Zeit eine Monopolstellung für Punkkultur inne hatte, sind sie längst nicht mehr die einzigen, die unkommerziell punkige Alternativkultur auf die Bühne bringen. Aber während die Szenen bei Konzerten in der Grünen- oder in der Friesenstraße relativ abgeschottet vor sich hin existieren, mischt sich das Volk bei den Change-Gigs, glaubt Edith. „Change hat noch immer den Ruf, daß ganz verschiedene Leute kommen: junge, alte und so weiter.“ Und deshalb rechnet sie damit, daß das Change-Jubiläum an diesem Wochenende noch lange nicht das letzte ist.
Lars Reppesgaard
20 Jahre Change wird am Freitag ab 21.00 Uhr im Wehrschloß gefeiert mit The Varukers und Operation. Am Samstag ab 21.00 spielen dort Rawside und Alians, und am Samstag nachmittag gibt es außerdem ab 12.00 einen Punkflohmarkt im Freizi Friesenstraße.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen