: Anwalt wider Willen
In der Juristenausbildung liegt vieles im argen. Doch über Reformen gehen die Meinungen auseinander ■ Von Joachim Fahrun
Ein Jurastudium gilt vielen als Einstieg in eine Karriere. Aber Deutschlands Nachwuchsjuristen gehen ziemlich schlecht vorbereitet in den Beruf: Besonders das Referendariat, der praktische Vorbereitungsdienst nach Abschluß des Studiums, sei zu justizlastig und zu praxisfern, lautet die Kritik der juristischen Zunft. Wie aber eine Reform aussehen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Die Rechtsanwälte fordern eine radikale Lösung. Der deutsche Einheitsjurist muß weg. Anstatt alle zumindest theoretisch zum Richteramt zu befähigen, sollten nach dem ersten Staatsexamen gesonderte Ausbildungen für Anwälte, Richter und Verwaltungsjuristen eingeführt werden. Die Anwälte würden ihre Azubis dann selber nach Bedarf aussuchen und auch selber bezahlen.
„Viele Juristen müssen Anwälte werden, obwohl sie für diesen Beruf weder motiviert noch ausgebildet sind“, klagt der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins (DAV), Michael Streck, der 91.000 Anwälte vertritt. In der Juristenausbildung werde nicht vermittelt, wie ein Anwalt einen Sachverhalt zu ermitteln oder Partei zu ergreifen. „Das ist für einen Referendar sogar gefährlich“, lästert Streck.
Von den jährlich bis zu 10.000 Absolventen des zweiten juristischen Staatsexamens hat nur jeder zehnte die Chance auf einen Job in Justiz oder Verwaltung. Weil sie im öffentlichen Dienst nicht unterkommen und obendrein zunehmend mit Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaftlern um Stellen konkurrieren, drängen laut DAV jedes Jahr bis zu 7.000 unzureichend vorbereitete Juristen als Selbständige in den Anwaltsstand. Viele krebsen am Existenzminimum. Eine geordnete Rechtspflege sei da gefährdet, warnt die Rechtsanwaltskammer.
Auch die Justizminister der Länder sind für einen Befreiungsschlag. Bisher kostet sie das staatlich geregelte Referendariat mit Pflichtstationen in Verwaltung, bei Gericht und bei Anwälten rund eine Milliarde Mark pro Jahr. In vielen Ländern sind monatelange Wartezeiten die Regel. Die Minister wollen in der Mehrheit den Vorbereitungsdienst abschaffen und den praktischen Teil der Ausbildung in ein fünfjähriges Universitätsstudium integrieren.
Der Deutsche Juristentag hat sich jedoch im September gegen eine Radikal-Reform der Juristenausbildung ausgesprochen. Die Mehrheit will am Referendariat und am Einheitsjuristen festhalten, befürwortet jedoch größere Wahlmöglichkeiten in der praktischen Vorbereitung und eine stärkere Beteiligung der Anwälte.
In der Wirtschaft haben sich nach Aussage eines Vertreters des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) die Einheitsjuristen auch im internationalen Vergleich durchaus bewährt: „Deutsche Juristen haben den Vorteil, daß sie von innen wissen, wie Richter und Verwaltungsleute arbeiten.“ Allerdings müßten die Inhalte des Referendariats geändert und mehr Wirtschaftsrecht gelehrt werden.
Die Referendare selbst wollen die praktische Ausbildung nicht an die Unis verlagern. „Praktika würden dort angesichts der Finanzmisere nur zu Massenveranstaltungen“, befürchtet der Schweriner Rechtsreferendar Henning Böders. Für den Deutschen Juristentag ist die Ausbildungsmisere in erster Linie ein Problem der Masse. Jährlich beginnen in Deutschland 21.000 junge Leute ein Jurastudium. Die Juristen fordern deshalb Zugangsbeschränkungen.
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