: Nachschub für die Aldis der Grölkultur Von Björn Blaschke
Letzten Freitag wartete eine große Nachrichtenagentur mit einer Gruselmeldung auf: In Köln, so hieß es, werde dieser Tage Deutschlands erste Comedy- Schule ihre Pforten öffnen. Träger dieser Einrichtung ist die Köln Comedy Festival GmbH, die alljährlich im Oktober – in diesem Jahr vom 14. bis zum 24. – deutsche und internationale Spaßvögel auf den Kleinkunstbühnen der Domstadt präsentiert. Und in diesem – ohnehin bedenklichen – Rahmen beginnt eine Art Testlauf der Comedy-Schule – mit einem Workshop für sieben Spaßküken. Richtig los geht es dann im April nächsten Jahres. Für die Schüler ist die Teilnahme kostenlos; sie müssen während der je 20tägigen Dauer des Unterrichts lediglich Unterkunft und Verpflegung selbst zahlen. Für den ersten Kurs erwartet die Comedy-Schule bundesweit rund 500 Bewerber, aus denen 80 Personen zur Vorauswahl nach Köln eingeladen werden. In der Endauswahl bleiben dann nur noch 16 Comedians für die Workshops übrig. Warum es zu der Schulgründung kam? Weil immer mehr Sender auf die Aldis der Grölkultur, die sogenannten Comedy-Formate, setzen.
Soweit die Nachricht, die wir an dieser Stelle gar nicht vermelden müßten, wenn, ja wenn nicht er der Schirmherr wäre – er, der grinsende Gouda, der Reihenhaus- Klo-Witz-Ausstatter; er, den Anne Frank noch kurz vor ihrem Tod aus holländischen Bintje-Kartoffeln, Mayonnaise und Vla zusammengekleistert hat, um ihn als Rachedeibel Nachkriegsdeutschland zu vererben: RUDI CARRELL! Aber – laß dich überraschen, schnell kann es geschehen – ein verunglückter Witz kommt selten allein: Rudi Carrell, Hugo Egon Baldrian-Balder, ZDF-Unterhaltungschef Axel Bayer sowie Ingo Appelt, bekannt durch Spitzhaar und Stumpfzunge, sollen den Adepten als depperte Dozenten zur Verfügung stehen. Finanzier dieses garantiert humorfreien Himmelfahrtskommandos ist RTL. Später soll sich auch noch das Land Nordrhein-Westfalen mit einigen Geldern beteiligen, vielleicht um Carrells altem Schlager über den verregneten Sommer gerecht zu werden, in dem eine Unterzeile lautet: „...und schuld daran ist nur die SPD“. Nordrhein-Westfalen, so heißt es jedenfalls, erhoffe sich von der Schule eine Aufwertung des Medienstandortes Rhein/ Ruhr. Aber „Aufwertung“? Wie das? Indem die jeweils 16 Absolventen der Komikschule am Ende des Kurses einfach erschossen werden? Ohnehin reihen sich die Fragezeichen am laufenden Band: Wann wird der Landesrechnungshof von NRW eingeschaltet? Oder das Bundesland Holland angeschlossen? Warum nicht ein dozierender Hans Scheibner? Wo bleibt Hanns Dieter Hüsch? Fehlen nicht auf der Liste des Lehrkörpers die sachkundigen Leerköppe Peter Hintze, Detlev Hartlap, Wolfgang Clement und – als Quoten-Witz- Blondine – Sabine Christiansen? Schon eine Volksweise weiß schließlich: Humor / so lautet die Diagnose, wenn Sabine nicht lacht. / Wenn sie's dereinst macht, so lautet sie: / Tumor.
Nein, wir sagen: Schluß mit lustisch! Petting statt popeliger Pointen! Kleinkunstbühnen zu Kabanossi; Sketche zu Quetschen! Kabarett – nein, danke. Mein Zwerchfell gehört mir. Und: Von deutschem Boden soll nie wieder ein schlechter Witz ausgehen – sonst gibt's Krieg!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen