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Kein Knall bei Radio Bremen

■ Rundfunkrat vertagte alle Personalentscheidungen auf das neue Jahr / Nur zaghafte Kritik an den Eingriffen in den Sender

Mit großer Spannung war die gestrige Sitzung des Rundfunkrates von Radio Bremen erwartet worden. Das Gremium wählt das vierköpfige Direktorium und hat die Kompetenz, die Leitung des Senders auch abzusetzen, allerdings nur mit 2/3 Mehrheit. Mit der Ankündigung, die Amtszeit des jetzigen Direktoriums werde per Gesetzesänderung zum 31.12.98 beendet, hatte Bürgermeister Henning Scherf vor zwei Wochen in die Kompetenzen des Rundfunkrates eingegriffen und Druck auf den Rundfunkrat ausgeübt.

In indirekter Form schloß die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Motschmann, Mitglied im Rundfunkrat, sich gestern abend der Forderung nach Rücktritt des Intendanten Karl-Heinz Klostermeier an. Das Ansehen des Intendanten sei zu sehr beschädigt, argumentierte sie, um die Zukunft des kleinsten ARD-Senders zu sichern. CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann, der auch Mitglied im Rundfunkrat ist, vertrat dagegen offensiv die Verabredung der Koalition zur Beendigung der jetzigen Führung. Er verteidigte ausdrücklich Bürgermeister Scherf: „Wer Recht hat, hat recht.“ Klostermeier hatte zuvor erneut erklärt, seinen bis 2000 laufenden Vertrag erfüllen zu wollen.

Die ursprüngliche Begründung von Bürgermeister Scherf, es müsse bei Radio Bremen ein personeller Neuanfang herbeigeführt werden, hatte Senatskanzleichef Reinhard Hoffmann zurückgenommen: Für Personalentscheidungen, so stellte der Jurist Hoffmann klar, seien die gewählten Radio-Bremen-Gremien zuständig.

Die Rundfunkratsvorsitzende Roswitha Erlenwein (CDU) und der Verwaltungsratschef Thomas von der Vring (SPD) bekräftigten ihre Kritik an dem Vorgehen des Rathauses. „Wenn alles so kommt, wird Radio Bremen in wenigen Monaten handlungsunfähig sein“, sagte Erlenwein. Diese Einschätzung der Lage macht deutlich, daß die Koalition bisher keinen Kandidaten als neuen Intendanten gefunden hat. In Anspielung auf den Fortschritt der Kooperationsverhandlungen mit den NDR sagte von der Vring: „Der Bürgermeister lobt uns über den grünen Klee und klopft mir auf die Schulter. Und dann fordert er: Das Direktorium muß weg.“

Auch die Grüne im Rundfunkrat, Christiane Bodammer, zeigte sich verärgert über das Vorgehen des Rathauses: „In einem kleinen Nest wie Bremen ist es absurd, gegeneinander vorzugehen.“ Ihrer Auffassung nach sind die 80 Millionen Mark, die Bremen von den ARD-Anstalten jährlich als Finanzhilfe bisher bekommt, „Peanuts“ für die anderen. Scherf und Hoffmann hätten „in einer Art von Machtbesoffenheit“ gehandelt. Detlev Albers signalisierte vorsichtige Zustimmung zur Koalitions-Linie: „Ich würde flexiblere Übergangszeiten empfehlen.“ Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Medienpolitiker Horst Isola.

Die Findungskommission, die für zwei Mitglieder des Direktoriums, Fernseh-Chef Rüdiger Hoffmann und Verwaltungs-Direktor Peter Dany, Nachfolger finden sollte, hatte nach der Intervention aus dem Rathaus ihre Arbeit eingestellt. In dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung, davon ging man gestern abend aus, würde der Rundfunkrat auch keine Entscheidung über die beiden Posten treffen. Erst wenn im kommenden Jahr das neue Radio Bremen Gesetz gilt, sollten diese beiden Positionen neu besetzt werden. Dann wird, so steht es im Gesetzentwurf, für eine Absetzung des Intendanten auch die einfache Mehrheit ausreichen. ck

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