: Das Risiko des öffentlichen Lebens
■ Wer im U-Bahnhof-Aufzug steckt, muß den Alarmknopf „richtig“ drücken
So etwas passiert normalerweise immer nur den anderen. Arglos stieg die junge Frau mit Baby im Kinderwagen am U-Bahnhof Hermannplatz in den Fahrstuhl, um sich abwärts befördern zu lassen. Doch kaum hatte sich der Aufzug in Bewegung gesetzt, da ruckte es, und das gläserne Ding saß fest. Sie drückte die Knöpfe, ruckelte an der Tür – nichts. Nervös wurde sie erst, als auch der Alarmknopf keine Reaktion auslöste. Eigentlich hätte nur noch gefehlt, daß es nachts gewesen wäre und der Aufzug mitten im Schacht stehengeblieben wäre. So aber hatte die Frau ein wenig Glück im Unglück: Durch die Glastür machte sie Passanten auf sich aufmerksam. Kurz später standen ratlose BVG-Mitarbeiter vor dem Fahrstuhl. Sie wußten sich nur mit der Feuerwehr zu helfen, die die Lifttür schließlich aufbrechen mußte. Eine dreiviertel Stunde dauerte es, bis Mutter samt Baby aus dem Fahrstuhl befreit wurde.
„Wahrscheinlich hat sie den Alarmknopf zu schnell betätigt“, erklärt sich Gerwin Jahn, bei der BVG verantwortlich für Infrastruktur und Technik, die technische Panne. Deshalb sei das Alarmsignal erst 20 Minuten später in der Zentrale der Aufzugfirma eingetroffen. Vollstes Verständnis hat Jahn aber für die „Panik der jungen Frau“. Denn deshalb habe sie wohl auch die Stimme aus dem Lautsprecher im Fahrstuhl nicht gehört, vermutet er. In Alarmfällen werde immer Sprechkontakt mit den Eingesperrten hergestellt, um „beruhigend auf sie einzuwirken“. Am Hermannplatz, so muß der BVG- Direktor einräumen, sei der Lautsprecher allerdings ziemlich leise.
Für Alarmfälle in den Aufzügen der U-Bahnhöfe sind die Aufzugfirmen zuständig, dennoch, betont Jahn, „stehen wir natürlich in der Verantwortung“. Nach dem Beschwerdebrief der Frau hat die BVG den Fall recherchiert und festgestellt: Nur vier Minuten nach der Feuerwehr traf ein Mitarbeiter der Aufzugfirma ein – und blieb damit in der vertraglich festgeschriebenen Zeit. „Personenbefreiung innerhalb von 30 Minuten“ heißt die Vorschrift. Gerechnet wird aber erst ab dem um zwanzig Minuten verspäteten Alarm.
Weil im Jahr in den 55 U-Bahnhöfen mit Aufzug im Schnitt zehn- bis 15mal jemand steckenbleibt, hat die BVG jetzt die Initiative ergriffen: 250 „Bahnhofmanager“ werden für die „Personenbefreiung“ geschult. Die Schulung dauere allerdings Monate, sagte Jahn, „denn es gibt ja so viele verschiedene Aufzugtypen“. So sehr Jahn den Vorfall bedauert, technische Störungen ließen sich nie ausschließen: „Wer am öffentlichen Leben teilnimmt, muß einfach immer damit rechnen, das so etwas passiert.“ Jutta Wagemann
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