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König Kurt macht sich auf den Weg

Ein Gespräch mit dem sächsischen Ministerpräsidenten und CDU-Vordenker Kurt Biedenkopf über den Zustand seiner Partei, die Chance auf eine Erneuerung und die Rolle seiner eigenen Landespartei  ■ Aus Dresden Nick Reimer

Bis eben debattierte der sächsische Landtag den Ausbau des Nahverkehrs. Jetzt ist Mittagspause. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, von den Medien gern als „König Kurt“ bezeichnet, nimmt im Restaurant Chiaveri – schräg über dem Landtag – Platz. „Bah!“ sagt er, nach einem Zeitungskommentar befragt, und winkt ab. „Sie müssen sich mal anschauen, was geschrieben wurde, als ich im April 1997 nein zur erneuten Kandidatur von Helmut Kohl gesagt habe. Quertreiber und Gott weiß was alles.“ Biedenkopfs Stimmenthaltung bei der Schäuble-Wahl im CDU-Vorstand kommentierte am Mittwoch eine Tageszeitung so: „Er schwimmt nun einmal gern gegen den Strom – zumal dann, wenn er Kohl noch eins auswischen kann.“ Biedenkopf bestellte ein Glas Wasser, „Leitungswasser bitte!“. Dazu Lasagne. Er habe sich der Stimme enthalten, „weil ich nicht gegen Wolfgang Schäuble stimmen wollte“. Sowohl für den Partei- als auch für den Fraktionsvorsitz sei Schäuble hervorragend geeignet. Biedenkopf glaube aber nicht, daß eine Person gegenwärtig beide Aufgaben wirksam erfüllen kann. Eine personelle Trennung sei schon deshalb wichtig, weil der Parteivorsitzende dann keine Rücksicht auf die CSU nehmen müsse, was von einem CDU/CSU- Fraktionschef natürlich erwartet werde.

Knapp 14 Tage nach der Wahl scheint die CDU sich langsam daranzumachen, die Wahlschlappe zu analysieren. Biedenkopf versenkt eine Brausetablette im Glas, die sich – “gegen Erkältung“ – zischend auflöst. „Wenn ich das richtig im Kopf habe, hat die CDU 1,6 Millionen Wähler an die SPD verloren“, sagt Biedenkopf. Daran könne man sehen, wie stark sich CDU und SPD jedenfalls in den Augen der Wähler nahe gekommen seien. Für Biedenkopf nicht überraschend: „Was Herr Hombach diese Woche im Spiegel schreibt, hätte ein CDU-Politiker der Mitte ganz genauso formuliert.“ Programmatische Auseinandersetzung sei im Wahlkampf nicht möglich gewesen.

„Die Analyse der Medien zeigt, daß wir – mit einigen Ausnahmen wie beispielsweise Ihrer Zeitung – bei diesem Versuch überhaupt nicht unterstützt wurden.“ Die großen überregionalen Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen wollten die Personen, den Zweikampf, die Matadoren, das große Finish. Schon lange vor der Wahl hatte Biedenkopf seiner Partei vorgeworfen, sich zu sehr auf Machterhalt, zu wenig auf die Zukunftsdebatte zu konzentrieren. „Das ist aber die Wirkung so langer Regierungszeit.“ Wenn die ganzen Turbulenzen im Rahmen der Koalitionsfindung vorbei sind, werde man sehen, daß auch die Roten und die Grünen von der Macht zusammengekittet werden. Da für die CDU die Macht als Kitt weggefallen sei, müsse nun die Idee als Kitt funktionieren.

Die Grundlage für eine solche Idee, die zum programmatischen Neuanfang taugt, liege bereits vor. Das Zukunftsprogramm – maßgeblich von Schäuble beeinflußt – sei ein ausgezeichneter Text, besonders in die Analyse. „Es gibt derzeit kein anderes Programm, was die gegenwärtige Wirklichkeit so treffsicher erfaßt.“ Die erste Aufgabe, die sich der neuen Parteiführung stellt, sei, diesen Text in der CDU bekannt zu machen. „Ich habe im Bundesvorstand am Dienstag geschätzt, daß 80 Prozent der Delegierten des Bremer Parteitags trotz jubelnder Zustimmung den Text nicht gelesen haben.“ Kohl habe ihn verbessert: Es seien mehr als 80 Prozent. Danach müsse man sich an die Ausformulierung des Zukunftsprogramms machen und die Ergebnisse in die Politik überführen. Die Oppositionsrolle biete hervorragend Gelegenheit, sich auch personell zu erneuern. Die Union hätte mit Helmut Kohl lange Zeit eine große Eiche gehabt, unter der wenig nachgewachsen sei. Jetzt müsse man frische Leute an die Spitze holen, die entweder eine nachgewiesene Potenz besitzen oder eine hoffnungsvolle, also Leute, die sich Wissen aneignen, das sie später, wenn sie Verantwortung übernehmen, dringend brauchen. Für das Präsidium nannte Biedenkopf Escher (Junge Union), Wulff (niedersächsischer Fraktionschef), Koch (CDU-Chef in Hessen) und Angela Merkel. Zudem müßten sich Strukturen in der Union ändern. Beispielsweise müsse das Adenauerhaus – in den letzten 16 Jahren verlängerter Arm von Kohl – wieder als selbständig handelnde Parteizentrale organisiert werden. Auch die Unterstützung der Landesverbände könne nur eine reorganisierte Bundesgeschäftsstelle leisten. Die CDU müsse sich auf eher acht als vier Jahre Oppositionszeit einstellen. Daß die sächsische CDU versucht, im Bonner Personalkarussell mitzufahren , beobachtet Biedenkopf nach eigenen Worten aus der Distanz. Generalsekretär Flath schlug Vaatz als Hintze-Nachfolger vor, Parteivize Eggert meldete den sächsischen Anspruch auf einen CDU- Vorstandsposten an. Über den Ausgang der sächsischen Landtagswahl mag Biedenkopf nicht spekulieren. Immer noch ist die Zustimmung für seine Regierungsarbeit hoch. Unten tagt das Kabinett. Draußen strahlt die Sonne. Da macht sich auch „König Kurt“ auf den Weg.

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