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Grüne: Perschaus Haushalt ist der Letzte

■ Die Grünen-Politikerin Karoline Linnert hält den Bremer Etatentwurf für das Jahr 1999 für einen „Wahlkampf-Etat“, der die Probleme verschleiert und auf später verschiebt

Der Haushaltsentwurf für 1999, den der Senat demnächst der Bürgerschaft vorlegen will, ist nach dem Prinzip „nach mir die Sintflut“ gezimmert. Das ist das Fazit der grünen Fraktionssprecherin Karoline Linnert nach dem Studium des druckfrischen Zahlenwerks. Im laufenden Jahr 1998 sind insgesamt 418 Millionen Mark aus Vermögensveräußerungen für die Deckung des Haushaltes eingeplant, für das kommende Jahr mußte der Finanzsenator die daraus ursprünglich angesetzten 153 Millionen auf 364 Millionen Mark hochschrauben. Damit sei der Etat 1999 „der letzte, wo diese nach mit die Sintflut-Politik noch funktioniert“.

Früher einmal war es auch eherne sozialdemokratische Position, daß Verkaufserlöse nicht zum Stopfen von Löchern im laufenden Haushalt verwendet werden dürfen, denn das Ende dieser Taschenspieler-Tricks ist absehbar: „Nach 1999 gibt es kaum noch etwas zu verkaufen“, stellt Linnert fest. In der Finanzplanung gehen die Verkaufserlöse für das Jahr 2000 bereits auf 50 Millionen herunter und erreichen im Jahr 2002 das Ende der Fahnenstange – die Null. Es ist gleichzeitig nicht erkennbar, wodurch diese „Einnahmen“ ersetzt werden könnten. Im Gegenteil: Die Steigerung der Steuereinnahmen sind eher so bescheiden angesetzt, als würde das Investitions-Sonderprogramm nur zu einem kleinen Bauboom führen und nicht zu mehr. Der Finanzsenator hat gleichzeitig zur Deckung der Haushalte 2000 bis 2002 weitere Sanierungs-Milliarden als „Einnahmen“ einplanen müssen, die in den Finanzplanungen des Bundes und der Länder bislang nirgends als „Ausgaben“ stehen. Dabei bezieht sich Finanzsenator Hartmut Perschau immer noch auf einen Brief, in dem der scheidende Finanzminister Theo Waigel für 1999 weiteren Sanierungshilfen zugestimmt hat unter der Bedingung, daß die Länder mitzahlen. In den Bonner Etatentwurf für 1999 hatte Waigel dafür aber keinen Pfennig eingestellt, über die folgenden Jahre hatte er selbst in diesem Wahlkampf-Brief nichts gesagt. Im Juli hatte der Senat daher noch beschlossen, aufgrund der Unsicherheit der weiteren Sanierungs-Hilfe „Variantenrechnungen“ vorzulegen. Dergleichen fehlt jetzt vollkommen: Der Finanzsenator hat alles, was er fordert und gern hätte, als „Einnahme“ einge-plant. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein verantwortlicher Haushaltsgesetzgeber sich das gefallen läßt“, findet Karoline Linnert. Hinzu kommen andere Unwägbarkeiten.

Während die Geber-Länder immer lauter die Reduzierung des Länderfinanzausgleichs fordern, rechnet die bremische Finanzplanung mit einer Steigerung der Einnahmen aus den Ausgleichszahlungen von 366 Millionen im Jahr 1997 auf Summen zwischen 420 und 560 Millionen Mark in den Jahren 1998 bis 2002. „Angesichts dieser Probleme hat der Senat es vorgezogen, einen Finanzplan vorzulegen, der den gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht“, findet Linnert, und dies nicht nur, weil die Nettokreditaufnahme regelmäßig höher ausfällt als die Investitionsquote. Im „Finanzplan 1998-2002“ steht zudem nicht drin, wieviel Geld jedes einzelne Ressort in den kommenden Jahren voraussichtlich zur Verfügung haben wird. Das verlangt aber das Finanzplanungsgesetz. Linnert ahnt, warum der Senat solche Details lieber offen läßt: „Das würde ein Hauen und Stechen geben.“

Bisher haben verschiedene Ressorts teure Projekte über Schattenhaushalte und über Wechsel auf die Zukunft finanziert, die erst in den kommenden Jahren zu Buche schlagen werden. Der Senat hat auch der Wissenschaftsbehörde eine deutliche Steigerung ihres konsumtiven Etats zugesagt ohne klarzustellen, an welcher anderen Stelle das Geld dafür gestrichen werden soll. Ein weiterer Gesetzesverstoß: Das Finanzplanungsgesetz verlangt, daß bei der Vorlage eines Etats die Finanzplanung für fünf Jahre fortentwickelt wird. Mit dem Etat 1999 legt der Senat aber nur die Finanzplanung bis zum Jahre 2002 vor, wie dies schon beim Etat 1997 der Fall war. Schon im Etat 2002 klafft nach den derzeitigen Berechnungen eine Lücke von rund einer Milliarde Mark; der Schuldenberg aus offiziellen und inoffiziellen Schulden liegt nach wie vor bei rund 18 Milliarden Mark. Was nach 2002 kommen könnte, wäre noch düsterer, weil dann auch nach den optimistischsten Erwartungen die Sanierungshilfen auslaufen. Was dann passieren könnte, will die große Koalition vor den Bürger-schaftswahlen im Juni 1999 lieber nicht debattieren, vermutet Linnert.

Somit endet der aktuelle Finanzplan dort, wo die Sanierungsmilliarden verfrühstückt sind: „Den angerichteten Scherbenhaufen dürfen dann die Nachfolger zusammenkehren.“ K.W.

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