: Tue Gutes, rede drüber
■ 155 Tafeln versorgen in Deutschland bedürftige Menschen mit Lebensmitteln
Früher waren es die Damen der feinen Gesellschaft, die auf Wohltätigkeitsbasaren Gebackenes und Gehäkeltes zum Wohle der Armen feilboten. Heute kümmern sich Hausfrauen, Rentner, Studentinnen und Arbeitslose um Bedürftige. Sie sammeln Lebensmittel ein, die nicht mehr zum Verkauf bestimmt sind, und verteilen sie umsonst an jene, die Hunger haben.
4600 Ehrenamtliche helfen auf diese Weise in 155 „Tafeln“ bundesweit den Armen, im Mai waren es erst 100 Tafeln und 2000 Helfer. Das Geschäft mit der Wohltätigkeit hat Konjunktur. Und das, meint Jürgen Gessner, Chef des Bundesverbands Deutsche Tafel e.V., der am Sonntag und gestern im Hamburger CCH seine Jahrestagung abhielt, „spiegelt die Polarisierung unserer Gesellschaft“.
1994, als sich die „Hamburger Tafel“ als eine der ersten in Deutschland gründete, wurden vor allem Obdachlose mit den übriggebliebenen Waren aus Bäckereien, Supermärkten oder Fleischereien versorgt. Heute, so Gessner, sind es Menschen, die „schlicht und einfach arm sind“. In Hamburg versorgen fünf Lieferwagen der Tafel wöchentlich rund 60 Projekte mit Lebensmitteln, darunter Einrichtungen der Drogenhilfe, Frauenhäuser oder die Aidshilfe.
Anderswo werden Brote, Obst oder Fischkonserven öffentlich verteilt. 90 Prozent all jener, die sich in Dresden oder Norderstedt in eine Schlange stellen, um anschließend mit Lebensmitteln im Wert von rund 20 Mark nach Hause zu ziehen, sind arbeitslos. Fast genauso viele haben dauerhafte gesundheitliche Probleme. Beinah die Hälfte von ihnen muß Kinder versorgen. Das sind erste Ergebnisse einer anonymen Befragung der Tafelgäste, die das Institut „Forsa“ ausgewertet hat.
Ein Bild der Armut, „das nicht so recht zu den offiziellen Verlautbarungen passen will“, meint Gessner. Und betont sofort: „Wir klagen niemanden an, auch den Staat nicht.“ Die Tafeln seien überparteiliche Zusammenschlüsse, Politik habe da nichts zu suchen. Eher noch der Spruch von der Wohltat: „Tue Gutes und rede drüber.“ flo
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