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Walser ein „geistiger Brandstifter“?

■ Scharfe Reaktionen auf Frankfurter Rede des Friedenspreisträgers

Frankfurt (dpa) – Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hat dem Schriftsteller Martin Walser nach dessen Friedenspreis-Rede „geistige Brandstiftung“ vorgeworfen. Bubis verglich die Äußerungen Walsers über den Holocaust und die deutsche Vergangenheitsbewältigung mit rechtsextremen Parolen. „Leute wie der DVU-Vorsitzende Gerhard Frexy und Ex-Republikaner-Chef Franz Schönhuber sagen es auch nicht anders. Das ist geistige Brandstiftung“, betonte Bubis.

Walser hatte am Sonntag bei der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels den Umgang der Deutschen mit der NS-Vergangenheit kritisiert. Die ständige Thematisierung der Judenvernichtung verglich er mit einer „Moralkeule“, die das Gegenteil erreiche. Walser hatte vor einer Instrumentalisierung von Auschwitz gewarnt und das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Monumentalisierung der Schande“ abgelehnt.

Der Publizist Ralph Giordano warf daraufhin Walser vor, die Verdrängung intellektuell sanktionieren zu wollen. „Er kann die geschichtliche Wirklichkeit seiner und unserer Nation nicht ertragen.“ Walser betone immer wieder, die Deutschen seien ein normales Volk. „Aber wir Deutschen sind kein normales Volk“, sagte Giordano. Als ein falsches Signal bezeichnete auch Michel Friedman, Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden, die Anmerkungen Walsers. Sie entmutigten diejenigen, die sich seit Jahrzehnten in der Bewußtseinsarbeit in Geschichtsaufklärung engagieren.

Der Tübinger Autor und Rhetoriker Walter Jens dagegen bescheinigte Walser eine „vorzügliche, präzis strukturierte Rede mit vielen nachdenkenswerten Details.“ Sie enthalte wie jede gute Rede neben wohlüberlegten Anregungen auch viele Punkte, die zum Widerspruch reizten.

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